Johannes Meinhardt
Stephan Runge
Kunsthalle Baden-Baden, 9.8. – 22.9.1991
Von Stephan Runge, geboren 1947, der 1966-1973 bei Joseph Beuys studierte, waren bisher nicht viele Ausstellungen zu sehen; die Kunsthalle Baden-Baden zeigt nun eine Reihe von neuen Arbeiten, ergänzt durch einzelne ältere aus den späteren siebziger Jahren. Die Ausstellung ist keine Retrospektive, greift aber teilweise auf frühere Arbeiten zurück.
Möglicherweise das Schlüsselwerk dieser Ausstellung ist eine Arbeit, die nur aus einem zerlegten japanischen Stoffkatalog und der Übersetzung von dessen Titel und Kapitelüberschriften besteht: das “Buch der Färbungen”, Kyoto 1983, das die Ordnung und Bedeutung der Bekleidung in der Heian-Periode (9.-12. Jahrhundert) rekonstruiert. Die Einzelfarben und Musterungen der Kimonostoffe, die selbst schon bis zu einem gewissen Grad kodiert waren, soziale Bedeutung besaßen, wurden durch die Kombination und Reihung übereinandergetragener Farben und Muster (höfische Gewänder bestehen aus bis zu zwölf Kimonos übereinander) zu komplexen, aber eindeutigen Zeichen mit spezifischen Bedeutungen. Durch Farbordnungen wurden Rang und Stellung in der höfischen Hierarchie angezeigt, wurden Epochen des Jahres, Festzeiten und besondere Anlässe gekennzeichnet, konnte der Träger aber auch Stimmungen innerhalb geregelter sozialer Formen kundtun. Die Farbordnung der Kleidung bildete Zeichen in unterschiedlichen Kodes, deren gleichzeitige Anspielung ein hohes Maß an Zeichenphantasie und Zeichenintelligenz erforderte.
Diese Farbkombinationen besaßen eine präzise Bedeutung, waren für den Wissenden eindeutige Zeichen; aber auch für einen Betrachter, der sie nicht “lesen” kann, zeigt sich die Zeichenhaftigkeit der Farbkombinationen in einer zwar leeren, aber deutlichen Suggestion von Bedeutungshaftigkeit. Stephan Runge versucht, eine solche Suggestivität zu evozieren. Er kombiniert in eigenen Arbeiten monochrome Stoffe wie Kleidungen.
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