Michael Stoeber
Stellung nehmen
Kestnergesellschaft Hannover, 28.5. – 21.8.2016
Die Entstehungsgeschichte der Kestnergesellschaft gleicht einem kleinen Wunder. Da gründen Bürger der Stadt Hannover, die bis heute mit dem Stigma der Provinzialität zu kämpfen hat, 1916 mitten im ersten Weltkrieg einen eigenen Kunstverein, als ob es nichts Wichtigeres zu tun gebe auf der Welt. So wehren sie sich gegen die reaktionäre Kulturpolitik des Stadtdirektors Heinrich Tramm, der im hannoverschen Kunstverein die künstlerische Avantgarde der Zeit nicht zeigen will. Sein Machtwort („Solange ich hier das Sagen habe, kommt mir kein Rohlfs und keine Nolde in die Stadt.“) unterlaufen die Bahlsens, Beindorffs und Madsacks mit einer weltläufigen Eleganz, die an Thomas Manns Definition des Bürgers erinnert: Der, so der Literatur-Nobelpreisträger, sei ein Mensch, der nicht nur über Geld, sondern auch über Bildung verfügt.
Wie sehr das auf die Kestner-Gründer zutrifft, bezeugt die Satzung der Gesellschaft, die bis heute Gültigkeit hat. In ihr versprechen die Initiatoren, das Kunstinstitut ökonomisch zu unterstützen, ohne Einfluss auf das Ausstellungsprogramm zu nehmen. Es soll ausschließlich einem der Besten der Branche anvertraut werden. Mit dieser Strategie wird die Kestnergesellschaft zu einem der führenden und bedeutenden Ausstellungshäuser Deutschlands. Zum einhundertjährigen Geburtstag des Instituts demonstriert das eine Ausstellung in der Ausstellung, in der dem Besucher vor Augen geführt wird, welche Künstler von welchen Direktoren gezeigt wurden. Dabei beglückt die Fülle an Premieren. Seien es nun die der deutschen Expressionisten und russischen Konstruktivisten in den frühen 1920er Jahren, die Inthronisierung von Kurt Schwitters als Weltkünstler durch Werner Schmalenbach nach dem Krieg oder, um nur einige…