Stefan Weppelmann
Direktor der Gemäldegalerie KHM
Künstler sind weniger frei als sie denken
Ein Gespräch von Sabine B. Vogel
Sabine B. Vogel: Wann beginnt in der Kunstgeschichte die Auftragskunst?
Stefan Weppelmann: Da müsste man über die Definition von Kunst sprechen – anfangen kann man natürlich bei den Pyramiden, die selbstverständlich Auftragskunst sind. Ebenso wie die meisten ägyptischen oder koptischen Werke. Gleichzeitig haben aber immer auch Menschen Kunstwerke ohne Auftrag produziert, um nachzudenken, um technische Entwicklungen voranzubringen oder einfach nur um Schönheit zu gestalten. Die Wandmalereien in Pompeji sind zum Teil im Auftrag entstanden. Doch sind einige dieser Malereien, das weiß man heute, von Künstlern auch geschaffen worden, weil sie ihre Kunstfertigkeit unter Beweis stellen wollten, und sind wiederum Anlass für literarische Reflexionen geworden.
Woran kann man das unterscheiden?
Per se geht das nicht, sie befinden sich in dem gleichen setting. Bei dem einen ist es eine rein dekorative, ornamentale Wandmalerei im Haus eines reichen Kaufmanns, beim anderen geht es um Kunstfertigkeit. Ich würde jedenfalls keinen Schnitt ziehen zwischen früher Auftragskunst und der heutigen Situation. Ich sehe das als eine Wechselwirkung zwischen Kunstwerk und Publikum. Das Publikum kann mit dem Auftraggeber identisch sein, muss es aber nicht. Publikum und Werk bedingen sich gegenseitig. In dieser Perspektive ist vieles, das scheinbar ohne Auftrag entstand, letztlich doch Auftragskunst, weil ein Publikum da ist, das das Kunstwerk einfordert.
Gilt das auch für die Moderne, wo das Publikum vor allem mit Ablehnung reagierte?
Ein Impressionist hatte vielleicht keinen Auftraggeber, aber sicher den Pariser Salon im Hinterkopf, und einen gewissen…