Stefan Friedmann
im Gespräch mit Gerd Haenel im März 1990 in seinem Atelier in Ost-Berlin
G.H.: Ich bin jetzt eine Weile hier, und mich erschlägt die Farbe Braun. Häuser, Türen, jetzt im März auch die kahlen Bäume, alles Braun, DDr-Braun. Du hast gesagt: Das ist gleichzeitig unsere Trauerarbeit und unsere Identität.
Man darf ja Identität nicht vordergründig verstehen. Identität ist ja etwas, was sich aus vielen Momenten – auch der Empfindung – zusammensetzt. Für mich ist es einfach nur wichtig, daß Grautöne irgendwo zu unserem Alltagsbereich gehören und wir für Grautöne insofern sensibilisiert worden sind, als Optimismus eine Doktrin war. Ich hab also einen Professor gehabt …
Die Doktrin war rot.
Nicht unbedingt rot. Sie war bunt. Von diesem Professor kenne ich folgende Story: Ein Kommilitone hat ein Gruppenbild gemalt, und dieser Professor, der jetzt übrigens auch abstrakt malt, obwohl er vorher seine Bilder an die Staatssicherheit nach Strausberg verkauft hat – der hat immer solche Fernsehturm-Optimismen gemalt – dieser Professor sagte zu dem Studenten (Stefan intoniert sächsischen Dialekt): “,Ja malen Sie doch ma optimistische Gesichter!” – Man kann sich ja über bestimmte Empfindungen nicht hinwegsetzen. Wenn man grau ist und grau lebt, kann man nicht sagen: Jetzt mal ich ein optimistisches Gesicht, weil das verlangt wird, oder weil die Leute das vielleicht schöner finden. Der ist dann wirklich mit dem Pinsel reingegangen und mit der Kohle und hat ihm so’n optimistischen Fladen reingemalt, bei dem nur noch der Bauarbeiterhelm fehlte; der Student hatte dann ne halbe Stunde zu tun gehabt, um…