Christian Huther
Stadtwerke
Kunsthalle Darmstadt, 5.9. – 5.11.2006
Das Fernrohr ist sinnlos. Es hat keine Linse, zoomt also nichts näher heran. Den Blick kann man sich sparen. Gleichwohl hat der 46-jährige Koreaner Dong-Yeon Kim das Fernrohr mitten in seine Installation von Modellhäusern aus Sperrholz gehängt. Denn in Kims Miniaturstadt aus Wolkenkratzern, Plattenbauten, und Reihenhäuschen geht es drunter und drüber. Erst hat jeder gebaut, wie es ihm gefällt. Und jetzt ist alles kaputt. Fenster gibt es nicht mehr, nur Leinenfetzen hängen heraus – als hätten sich sämtliche Gardinen, Tapeten und Teppiche aufgelöst. Vollends absurd wird es, wenn man auf die Maßstäbe der Bauten achtet, ist doch ein Hochhaus nur wenig höher als ein vierstöckiger Wohnblock. Aber vielleicht lässt sich zumindest dank des Fernrohres noch ein Lebewesen in der menschenleeren Stadt erspähen. Oder soll sich der Blick etwa gleich in Himmel und Sterne richten? Das ist gar nicht so abwegig, hat doch Kim, der von 1988 bis 1994 an der Düsseldorfer Akademie studierte, seine Stadt als “Holy City” bezeichnet.
Kims apokalyptisches Häuserwirrwarr bezieht Position gegen den Moloch Stadt als eines von 20 Beiträgen in der Darmstädter Kunsthalle. Die Schau “Stadtwerke” buchstabiert das ganze Elend der Städte von Anonymität bis Zerstörung durch und streift auch deren Trümpfe vom Ausgeh- bis zum Shopping-Paradies. Dafür hat sich Kunsthallen-Chef Peter Joch mit Annette Lagler vom Aachener Ludwig-Forum zusammengetan und wählte neben Kims Werken vor allem Positionen der vergangenen 40 Jahre, die meist im Aachener Depot lagern. So beginnt diese kleine Übersichtsschau gottlob einmal nicht mit den verkanteten Bauvisionen der…