Anselm Wagner
„Stadtkunst trifft den Nerv der Öffentlichkeit oder verfehlt ihn eben“
Bislang Unbeachtetes sichtbar machen
Welche Bedeutung hat Kunst im öffentlichen Raum (KiöR) für eine demokratische Öffentlichkeit?
Zeitgenössische Kunst war und ist bekanntlich selten mehrheitsfähig, ist daher – demokratiepolitisch gesprochen – sehr oft Ausdruck einer Mindernheitenmeinung. Nun stellen die Rechte von Minderheiten eine entscheidende Frage in jeder Demokratie dar; sie sind sozusagen der Lackmustest einer demokratischen Gesellschaft. Man könnte also sagen: Der öffentliche Raum gehört allen, also dürfen sich auch die Minderheiten darin wiederfinden. Das ist aber de facto nicht der Fall.
Seit jeher – egal, ob es sich um demokratische oder repräsentative Öffentlichkeiten handelt – drückt die Besetzung des öffentlichen Raumes die herrschenden Machtverhältnisse aus. Kunst im öffentlichen Raum beansprucht deshalb symbolisch eine Machtposition, die sie de facto gar nicht besitzt (bzw. die in autoritären Staatsformen die herrschenden elitären Minderheiten wahrnahmen). Ihr Gelingen besteht darin, sich ohne autoritären bzw. elitären Gestus dennoch prägnant in die Öffentlichkeit einzubringen. Daraus entsteht im günstigsten Fall eine Debatte, die über bloße Skandalisierung hinausgeht und insofern demokratiepolitische Relevanz besitzt. Bestes Beispiel ist für mich immer noch Christoph Schlingensiefs „Ausländer raus!“-Container vor der Wiener Staatsoper im „Wende“-Jahr 2000 (Abb. 1 und 2).
Kunst im öffentlichen Raum muss aber nicht unbedingt Konflikte provozieren, um eine demokratische Funktion zu erfüllen: Sie kann genauso auch einfach kommunikative Prozesse in Gang setzen, bislang Unbeachtetes sichtbar machen, Handlungsräume eröffnen. Die Möglichkeiten sind also vielfältig.
KiöR kann per definitionem nicht als Feigenblatt dienen
Benötigt die kapitalistische Gesellschaft die KiöR als „kritisches Feigenblatt“ oder wird sie als Repräsentationsinstrument…