Immanuel Toshihito Chi & Oliver Stotz
Spuren des Gebrauchs
1. Vorwort
»Sie sehen den Körper als beweglichen Mechanismus, die Teile in ihren Gelenken, das Fleisch als Polsterung des Skeletts. Sie gehen mit dem Körper um, hantieren mit seinen Gliedern, als wären sie schon abgetrennt. Die jüdische Tradition vermittelt die Scheu, einen Menschen mit dem Meterstab zu messen, weil man die Toten messe – für den Sarg. Das ist es, woran die Manipulatoren des Körpers ihre Freude haben. Sie messen den anderen, ohne es zu wissen, mit dem Blick des Sargmachers.«1
Dies ist eine Beschreibung, die polemisch durchaus auch auf Teilbereiche der Ergonomie zutrifft. Als Hilfswissenschaft verstanden, die zur Analyse von Mensch-Objekt-Beziehungen beiträgt, zeichnet sie sich dadurch aus, daß ihre Werkzeuge zum Gewinn von Erkenntnis ausnahmslos deskriptiv-empirischer Natur sind. Der Mensch wird in der Regel als Ausgangspunkt ergonomischer Betrachtung herangezogen, um – beispielsweise durch metrische Analyse seiner anatomischen Maße (Anthropometrie), seiner Belastbarkeit und seines Ermüdungsverhaltens – Aussagen für die Gestaltung der ihn umgebenden Welt zu machen. Statistische Verfahren werden herangezogen, um die den Menschen beeinflussenden Umweltfaktoren in numerischen Grenzen zu fassen.
Geräuschpegel, Ausleuchtung und Tischhöhen werden immer im Zusammenhang mit der Zumutbarkeit oder Bequemlichkeit untersucht: »Nicht wie seine Physis ist, {…} sondern bis zu welchem Punkt sie ‘gerade noch’ sein könnte.«2
Abgesehen davon, daß eine so arbeitende Ergonomie möglicherweise »durch die Tatsachen des Experiments und der Beobachtung ihren Gegenstand bereits modifiziert«3, wird in ihr der Mensch latent als Opfer von auf ihn einwirkenden Umweltnoxen etabliert. Zudem wird aber auch das gänzliche Ausklammern eines authentischen Menschen als…