Andreas Beyer
Sprechen. Schreiben. Zeigen.
Die wissenschaftliche Kunstgeschichte ist, nicht anders als die mit Kunstwerken umgehende Literatur, zunächst und vor allem mit deren Beschreibung beschäftigt. Historisch-kritische Quellenarbeit tritt hinzu, aber die Ekphrasis scheint noch immer die Voraussetzung dafür darzustellen, den interessierenden Gegenstand überhaupt zu verhandeln. So ist der narrative Umgang mit Bildern der wissenschaftlichen wie der poetischen Kunstliteratur gleichermaßen unverzichtbar. Und schon deshalb wird die Kunstgeschichte sich nicht allein mit den “Eikones”, den Bildern, sondern zugleich mit der “Koine”, der Sprache also, in der sie sich des Kunstwerks zu bemächtigen sucht, auseinanderzusetzen haben, zumal die Literatur dabei zu ihr zunehmend in ein Konkurrenzverhältnis tritt.
So hat etwa Wolfgang Hildesheimer mit seinem “Marbot” (1981) die Grenzen willentlich und folgenreich verwischt.1 Die darin avancierte These, den “Gilles” von Jean Antoine Watteau als “Selbstbildnis des Malers” zu deuten, stand ja in auffälliger Nähe zu Erwin Panofskys Interpretation des Gemäldes. Tatsächlich bleibt schwer zu entscheiden, ob der fiktive Kunsttheoretiker Marbot – und also Hildesheimer – oder vielmehr der gelehrte Kunstwissenschaftler Panofsky die verläßlichere Quelle zur Deutung des Gemäldes darstellt.2 Vielleicht ist aber diese Unterscheidung im Grunde unerheblich, dann wenigstens, wenn es um den allein durch Beschreibung zutage geförderten Gehalt eines Kunstwerks geht.
Die zunehmende Verwissenschaftlichung der Kunstgeschichte hat vergessen lassen, daß an ihrem Anfang, und namentlich mit Giorgio Vasari, ja rhetorische Prinzipien standen, die die Zuschauerrolle des Betrachters definierten.3 Dabei war es zumeist die “Storia”, die erzählerische Absicht des Bildes, die in mimetischer Narration als Text des Bildes Gestalt annahm. Das Eigene und Wesentliche der künstlerischen Äußerung,…