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Magazin: Aktionen, Pläne & Projekte · S. 408 - 409
Magazin: Aktionen, Pläne & Projekte , 1991

Skandal um BILD: Unerträgliche Kunst

Von Friedemann Malsch

Der Prozeß der deutsch-deutschen Übemahme hat ordentlich den germanischen Teich umgerührt, und so mancher Morast, der als entfernt galt, trat in dieser Brühe wieder ans Tageslicht. Echt deutsche Tugenden werden wieder hoch geachtet: Sparsamkeit, Fleiß, Demut gegenüber der Obrigkeit: Luther lebte einst in Ostdeutschland, und es ist die Ungeübtheit im selbstverantwortlichen Umgang mit der Sprache, die so manches innere Anliegen der Menschen aus der DDR ungewollt ans Licht der Öffentlichkeit brachte. Wie anders läßt sich erklären, daß im Westen der stromlinienförmige Begriff der “Einheit” Verwendung fand, allenfalls von leisen lustkompensatorischen Tönen unterbrochen, die im Wort von der “Vereinigung” anklingen, im Osten aber die Leute gleich in Scharen und vor laufenden Kameras von der “Einheitlichkeit” sprachen? Solch selbstentblößender Umgang mit der Sprache ist den Deutschen West fremd geworden, die Deutschen 0st werden ihn auch noch schnell genug verlernen. Schade, denn hierin offenbart sich eine Sensibilität, die noch nicht zynisch verbogen ist. Sie ist Zeichen einer virtuellen kulturellen Identität, die im Westen vom zynischen Sprachdesign zugeschüttet wird.

Die BlLD-Zeitung ist in dieser Hinsicht nach wie vor wichtiger Seismograph. Daß im Zuge des Vereinigungs-Rausches alle Zwischentöne gefälligst zu schweigen haben – diese Haltung hat sich wohl bis in die letzten Kapillaren des Systems durchgesetzt. Und es ist wieder Zeit für die Denunzierung jener Kräfte, die sich einer alles durchdringenden “Einheitlichkeit” widersetzen: Das “gesunde Volksempfinden” feiert fröhliche Urständ, und das freut sich, wenn es allem, das über seinen Horizont geht, was am Zeug flicken kann.

Jüngstes Opfer dieser Renaissance der…

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