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Zeichnen zur Zeit · von Reinhard Ermen · S. 204 - 207
Zeichnen zur Zeit , 2016

Simon Schubert

Die Linien bilden ihre Spuren im Blatt, Simon Schubert faltet sie in seine Papiere. Im Zusammenspiel von Licht und Schatten erscheinen ausdifferenzierte Örtlichkeiten, Architekturen vor allen Dingen, Innenräume, Stiegenhäuser, Winkelszenen mit mehreren Fluchtpunkten: Diskret, ja zurückgenommen, aber mit unerbittlicher Konkretion. Die Faktizität der Falte, die das Material formt, ohne es zu verletzen, und die daraus resultierenden Lineaturen vereinigen sich zu einer imaginären Kraft. Das Relief mit seinem natürlichen Anspruch auf Dreidimensionalität, wird durch die spezielle Arbeitsweise seiner Faltungen partiell neu definiert, etwa als angefangene, letztlich aber flach gelegte, bzw. flach gebliebene Verräumlichung mit dem Potential zur abbildenden Illusion. Als charakteristisches Merkmal tut sich dabei eine Innenspannung von Linien und Flächen auf, weil diese Art der Bildgewinnung den Träger deformiert indem sie sich einprägt. Das Licht bricht sich im Gegebenem. Dass Schubert ursprünglich mal Bildhauerei studiert hat, mag man seiner Vorgehensweise gelegentlich noch ansehen, abgesehen davon, dass er seine Installationen häufig durch skulpturale Objekte ergänzt. Die von ihm kultivierte hochkomplexe Faltung ist absolut originär, entsprechend ungern spricht er über deren Technik, die bleibt weitgehend sein Geheimnis. Entscheidend sind ohnehin die Sujets, die er in seine Papiere gleichsam hineinbewegt. Sie erlangen ein keusches Eigenleben, das Örtlichkeiten aus den Erzählungen von Edgar Allen Poe, etwa „Haus Ascher“ oder die Lichtdurchfluteten (auch menschenleeren) Stuben nach Ideen des dänischen Malers Vilhelm Hammershoi (1864 – 1916) erstehen lässt und gleichzeitig wieder entrückt; dabei macht Schubert letztlich nichts anderes, als das Gesehene zu konkretisieren. „Der Blick verliert sich endlos im Geflecht der Faltungen.“ (Paul Good) Das…

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