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Titel: Betriebssystem Kunst · von Rainer Ganahl · S. 130 - 132
Titel: Betriebssystem Kunst , 1994

Silvia Kolbowski:
an example of recent work …

Von Rainer Ganahl

Die Ausstellung von Silvia Kolbowski eröffnet mit einer viertelseitigen Anzeige in einer Kunstzeitschrift, die die Vorlage auch für die durch die Galerie verschickten Einladungen abgibt.

Die angegebene Adresse ist jedoch nicht die der öffentlichen und allen frei zugänglichen Räume der genannten Galerie, sondern die von Harry Winston Inc., eines der exklusivsten Juwelierhäuser der Welt, deren ausgesuchte Kunden nur nach Vereinbarung Einlaß finden. Dennoch aber können interessierte oder nur schaulustige Passanten Beispiele feinsten Kunsthandwerks mit den erlesensten Steinen aus aller Welt in zwei Schaufenstern betrachten.

In diesen Schaufenstern kann “ein Beispiel neuer Arbeiten” gesehen werden. Obwohl es zwei Schaufenster gibt und in jedem sich etwas befindet, wird hier nur von einem Beispiel neuer Arbeiten gesprochen. Gleichfalls verweist dieses “an example of recent work” auch auf andere, nicht ins Spiel gebrachte Arbeiten, was durch das Idiosynkratische dieser Arbeit bzw. “Nicht-Arbeit” signifikant wird. Das “may be seen” erhält am Schaufenster selbst seine spezifisch ambivalente Bedeutung, weil es zur üblichen Juwelenschau nichts gibt, was von Kolbowskis Intervention zeugt.

Zusätzlich zu den für Galerien mehr oder weniger üblichen Zeitangaben liest man noch eine ungewöhnliche, exakte, nur 17 Minuten umfassende Zeitbeschränkung, die jedoch mit einem “approximately” wiederum relativiert scheint. Findet man sich an angegebener Stelle zur angegebenen Zeit ein und vergißt, daß man das Beispiel neuer Arbeiten nur in den Schaufenstern vorfindet, so erfährt man den nächsten auf der Einladung, der Annonce, angegebenen Satz unmißverständlich vom Portier: “There will be no reception.”

Dafür aber wird man Zeuge einer anderen täglich wiederholten…


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