DENKRAUM IV Künstlerische Praxis als Soziale Praxis
Silke Riechert
Im Raumschiff
Experimentierräume für künstlerisches und urbanes Handeln
von Astrid Wege
1919 lud Bruno Taut vierzehn Architekten und Künstler ein, sich an einer Korrespondenz über damals virulente Fragen der Architektur zu beteiligen. Die Briefe der „Gläsernen Kette“, verfasst zwischen November 1919 und Dezember 1920, geben Einblick in divergierende Positionen der architektonischen Avantgarde zu Beginn des 20. Jahrhunderts und setzten zugleich eine Form kollektiver Autorschaft ins Werk. Ziel war es, aus einem Ungenügen an der damaligen Praxis des Bauens heraus Ideen zu entwickeln, die den Boden für visionäre Formen in Architektur und Städtebau bereiteten. 2006/07 übertrugen Silke Riechert und Andrea Knobloch diesen Prozess kollektiver Ideenfindung leichtfüßig in die Gegenwart. „Zukunftsmodelle“, „Die Kunst des Öffentlichen“, „Let’s Transform Future that you / I can learn“, „Umbau“, „Anbau“, „Einbau“, „Ausbau“ ist unter anderem auf einer großformatigen, farbigen Zeichnung zu lesen, die konstruktiv-kristalline Formen mit figurativen Elementen, offenen Netzstrukturen und eingängigen Slogans verknüpft. Der Bau, so der Titel der Zeichnung, ist das Ergebnis einer ihrerseits auf aktuelle Fragen des Städtebaus und der Architektur konzentrierten Korrespondenz zwischen den Künstlerinnen, die sich ihrer entfernten historischen Referenz durchaus bewusst ist. Als eine von insgesamt zwanzig Mind Maps ist das Blatt Austragungsort eines Dialogs im Medium der Zeichnung, eine mentale Kartografie, prinzipiell unabgeschlossen und im buchstäblichen Sinn mehrperspektivisch. Wiederholt wurde die Zeichnung zwischen Berlin und Düsseldorf hin- und hergeschickt und sukzessive ergänzt, der jeweilige Beitrag der Kollegin kommentiert und weitergeführt: eine experimentelle Erprobung möglicher Formen und Visionen gesellschaftlicher Partizipation, ein „Austausch- und…