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Titel: Zwischen Erinnern und Vergessen · von Birgit Recki · S. 154 - 155
Titel: Zwischen Erinnern und Vergessen , 1994

Birgit Recki
Silke Rehberg

Mythisches Match. Was wir der Schlange verdanken

Man kann nicht alles haben. Wir erinnern uns: Im Anfang war das Paradies. Da konnte man alles haben. Oder doch fast alles – bis auf eines: Selbstbewußtsein und Erkenntnis. Insofern war- es ein ziemlich unkultivierter Zustand – dumpf, möchte man fast sagen. Aber- der Keim zur Kultur war angelegt, denn einen Unterschied gab es immerhin: “Es gab dort verbotene Bäume”, hat schon Heinrich Heine im abfälligen Plural gehöhnt, um klar zu machen, daß das Ganze wohl doch “kein wahres Paradies” gewesen sein kann. Dann war da ein Drang, ein Streben nach Höherem, und es ist schwer zu entscheiden, ob er eigentlich von außen kommen mußte oder schon innen da war und nur der Unterstützung durch eine äußere Instanz bedurfte. Von nichts kommt nichts.

Was war eher, die Verführung oder die Verführbarkeit? Wir können leicht sehen, daß dies eine müßige Frage ist. Sie bestärkt uns freilich in dem Verdacht, daß wir- aus der Perspektive unserer Geschichte selbst den Zustand paradiesischer Ungeschiedenheit nicht als das schlechthin Einfache, sondern nur als einen Komplex denken können, in den – wie auch immer unbewußt – schon Verschiedenes war. “Alsbald fing die Vernunft an, sich zu regen.” So spricht Kant über den archaischen Vorgang der Menschwerdung. Indem er die Entzweiung, die Entfremdung im “mutmaßlichen Anfang des Menschengeschlechts” als den Ursprung der menschlichen Freiheit versteht, macht er sichtbar, daß der Mythos vom Sündenfall nicht nur erklären will, wie das Böse in die Welt kam. Das gibt zu denken….


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