Sigmar Polke: Carl Andre in Delft
VON MARTIN HENTSCHEL
Der Topos des Unpersönlichen nährt die Avantgarden des 20. Jahrhunderts wie ein unterirdisches Netz von Wasseradern, welche an verschiedenen Stellen mit unterschiedlicher Stärke und Konsistenz aus dem Boden, der die Kunst ist, hervortreten. Mit der Inszenierung des Zufälligen wie mit der des industriellen Produkts kann es sich gleichermaßen verbinden. Der Künstler möchte – so mag es oft anmuten – nur einer unter den Menschen des Alltags sein, im äußersten vielleicht einer, wie Poe ihn uns geschildert hat: “Der Mann in der Menge”. Er möchte die Bürde des Schöpferischen, das ihn zum alter deus, zum “anderen Gott”, erklärte und ihn unsterblich machte, für immer abwerfen, so scheint es.
Die Strategien, die Sonderstellung des Kunstwerks in Abrede zu stellen, mit künstlerischen Mitteln zu nivellieren, sind zahllos. Auch Andre und Polke bieten uns Versionen davon. Doch stets hat sich das Konglomerat aus Kunsthandel und Museum, aus Kunstkritik und Kunstgeschichte des abgeworfenen Ballasts von neuem bemächtigt, stets von neuem die Einzigartigkeit des Künstlers und der Kunst beschworen. Und schließlich kommt die perpetuierte Beteuerung, anders zu sein als die Menge, dem Künstler doch nicht ungelegen, gemessen an der Alternative, tatsächlich in der Menge aufzugehen. Nicht von ungefähr fällt daher die Verwirklichung von Vorstellungen, die die völlige Abschaffung der Kunst und des Künstlers beinhalten, ob sie von Mondrian oder von Maciunas ausgesprochen werden, immer in eine unbestimmte Zukunft.
Doch diesseits solcher Projektionen haben die begrenzten Strategien der Nivellierung dessen, was als Werk aus dem Kreis aller übrigen Objekte der Erfahrung herausgehoben…