Stephan Berg
Sigmar Polke
»Das photographische Werk«
Kunsthalle, 10.2. – 25.3.1990
Seit er 1963 zusammen mit Gerhard Richter mit seiner Demonstration für einen “kapitalistischen Realismus” die Szene betrat, hat sich Sigmar Polke beharrlich jeder möglichen Festlegung entzogen. Der mittlerweile 49jährige Maler pendelte zwischen Pop-art und holländischen Meistern, kokettierte mit Konzeptkunst, mimte telepathische Eingebungen, in denen er sich von “höheren Wesen” befehlen ließ, was er malen sollte, und mixte in den 8oer Jahren hochgiftige Substanzen zu böse schillernden Farbräuschen, die sich unter dem Einfluß von Licht,Wärme und Feuchtigkeit in ihrer Erscheinung permanent veränderten. Ein offensichtlich mit alchimistischen Fähigkeiten begabter Hexenmeister der Kunst, der immer, wenn man ihn gerade zu packen meinte, schon längst wieder ganz woanders war und dem Betrachter lächelnd eine lange Nase zeigte.
Bei der Erprobung seiner immer neuen Bildformen und -erfahrungen hat die Photographie für Polke von Anfang an eine zentrale Rolle gespielt. Gleichberechtigt mit der Malerei, ist sie für ihn sowohl eigenständiges künstlerisches Medium als auch unentbehrliche Dokumentationsinstanz, mit der er alle seine künstlerischen Aktionen aufzeichnet. Dennoch ist Polkes photographische Arbeit bis heute so gut wie unbekannt geblieben. Die Staatliche Kunsthalle Baden-Baden bietet jetzt die Gelegenheit, sich anhand von 300 Photos und 100 druckgraphischen Blättern aus den späten 60er Jahren bis heute erstmals einen umfassenden Überblick über diesen Teil seines Ouvres zu verschaffen.
Wie in seinem übrigen Werk, überrascht Polke auch im Bereich der Photographie durch ein hohes Maß an Wandlungsfähigkeit: Da stehen kunstvoll arrangierte Dada-Szenen neben aktionistischen Workshopschnapp-schüssen, komplizierte Montagen und Solarisationen neben simplem Doku-mentationsmaterial, und pastellbunte Übermalungen kollidieren mit “wissenschaftlichen”…