Justin Hoffmann
Sigmar Polke
»Remix«
Haus der Kunst, München, 17.12.1995 – 21.1.1996
Rasterpunkte sind nicht einfach Mangelerscheinungen, nicht nur die negativen Resultate eines unperfekten Abbildungsvorgangs eines technischen Mediums. Sie bilden, wenn sie ein Künstler verwendet, nicht in erster Linie die Rückstände eines im Computerzeitalter veralteten Reproduktionsverfahrens im Sinne von: “ja damals, als es noch Raster statt Pixel gab.” Nein, Rasterpunkte, und das führt uns Sigmar Polke mit seinen neuen Zeichnungsfolgen in der Ausstellung “Remix” so augenscheinlich vor, sind schwarze Löcher, die das Figurative zusammenziehen, energetisch verdichten und somit auf den Punkt bringen. Doch dann öffnen sie sich zu Tunneleingängen, in denen das Abgebildete verschwindet, ausfließt, um eine neue, andere Figur entstehen zu lassen. Die Rasterpunkte gewinnen so eine transitorische Funktion. Sie markieren jene Schnittstellen zwischen der Realität und dem Möglichen, dem Ähnlichen und dem Unähnlichen. Sie verbinden die Denkweisen zweier Seins- und Wahrnehmungsebenen. Diese Rasterpunkte am Grat von Erkennen und Erstaunen legen als Grenzstationen gleichsam die Scheidelinie zwischen diesen beiden Sphären fest. So geben diese kleinen schwarzen oder weißen Kreisflächen einerseits etwas wieder und bilden das Fundament eines meist fotografischen Bildes (z.B. eines Astronauten, einer Erschießungsszene), das wir als realistisch empfinden, andererseits produzieren sie selbst Form und besitzen eine eigene ästhetische Ausdrucksqualität. Sie sind somit sowohl reproduktiv und beziehen sich auf ein in Wirklichkeit stattgefundenes, vergangenen Ereignis, als auch markieren und erzeugen sie ein gleichmäßiges Muster auf dem Bildgrund.
Der Rasterpunkt in Polkes Arbeiten ist autonom und mimetisch zugleich. Darin liegt sein Paradoxon: Der Raster verflüchtigt das Figurative, das gerade durch ihn evoziert…