Vitus H. Weh
Siegfried Anzinger
Museum moderner Kunst im 20er Haus, Wien,
1.4. – 31.5.1998
Ein Bild von Siegfried Anzinger für zu Hause. Das muß schon ziemlich ideal sein. Es wäre immer jemand da und doch noch nicht – noch nicht ganz. Beim Betrachten des Bildes würde sich stets eine freudige Erwartung einstellen, ähnlich jenen delikaten Momenten, kurz nachdem die Gäste an der Tür geklingelt haben: Der Abend ist noch nicht im Eimer, es kann noch alles werden – ein Effekt, für den man die Malerei doch gerne wieder für sich entdeckt.
“Sag hallo zu einem Fremden”: Lange galt Siegfried Anzinger, 1953 in Weyer/Oberösterreich geboren, als ein typischer Vertreter der “Neuen Wilden”, jener jungen Leinwandkämpfer, die Anfang der achtziger Jahre den Kunstmarkt befeuerten. Entsprechend zog es ihn nach seinem Studium in Wien in die Galerienstadt Köln, wo er seit 1982 lebt. Erst jüngst, 1997, wurde er an die Kunstakademie Düsseldorf berufen, wo er eine Klasse für Malerei leitet. Seine erste umfassende Retrospektive wurde ihm nun also in Wien eingerichtet, jenem Ort, an dem er einst mit Künstlerkollegen wie Hubert Schmalix, Alois Moosbacher und Roman Scheidl seine “Heftige Malerei” begonnen hat, mit der er schon bald auf Ausstellungen wie der documenta 7 und “Zeitgeist”, beide 1982, reüssierte. Die Retrospektive im 20er Haus reicht von dieser Zeit bis in die Gegenwart, wobei jedoch große Verschiebungen auffallen. Während Anzinger auch Ende der achtziger Jahre noch in pastoser Gestik das neoexpressive Erbe zelebrierte (“Schau nur, was für ein wilder Kerl ich bin”), hat er in den Neunzigern…