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Titel: Shanghai - Die Erfindung der Zukunft · von Daniel Kothenschulte · S. 158 - 167
Titel: Shanghai - Die Erfindung der Zukunft , 2006

Daniel Kothenschulte
Shanghai Express

Heute ist Asiens einstige Filmmetropole ihr eigener “elektrischer Schatten”:
Eine kleine Filmgeschichte von der Stadt am Suzhou River

Die Schatten und das Spiel: Im Spielsalon eines nordchinesischen Dorfes bringt sich ein junger Familienvater um Haus und Hof, während im Hintergrund ein Schattentheater für Unterhaltung sorgt. “Elektrische Schatten” nennt man in China das Kino, und dies ist seine manuelle Vorform. Das Spiel mit zweidimensionalen Stabfiguren, diese volkstümliche Miniatur der Pekingoper, ist in den ersten Szenen des dargestellten Ambientes in Zhang Yimous Film “Huozhe” (“Leben”, 1994) Fernsehen und Jukebox zugleich: wie selbstverständlich erfüllt es seine Unterhaltungsfunktion, wahrgenommen in aller Beiläufigkeit. Doch auch das Puppentheater wird wie so viele der alten Traditionen spätestens mit der Kulturrevolution ein jähes Ende finden.

An die Urahnen des Kinos erinnert Zhangs Film, die erste populäre Aufarbeitung der wechselvollen jüngeren Geschichte Chinas. Gesehen wurde diese Produktion des renommierten Shanghai Film Studios im Heimatland allerdings lange Zeit nicht. Noch heute entstehen in der Volksrepublik Filme allein für den Export und prestigeträchtige Festivalauftritte im Ausland. Jüngstes Beispiel ist “Sanxia Haoren” (“Still Life”), der semidokumentarische Spielfilm des unabhängig arbeitenden Video-Realisten Jia Zhang-ke: Der Gewinn des Goldenen Löwen von Venedig wird dieser behutsamen Dramatisierung des umstrittenen Staudamm-Projekts noch lange keine Aufführungsgenehmigung einbringen. Dabei hat es einmal eine Zeit gegeben, als soziale Themen und populäre Erfolge wie in nur wenigen Filmländern Hand in Hand gingen im chinesischen Kino. In den 1930er Jahren war die Filmstadt Shanghai ein Synonym für asiatische Filmkunst schlechthin.

Wenn heute eine fast mythologische Vorstellung das Shanghai der dreißiger Jahre…



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von Daniel Kothenschulte

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