SEX WE CAN
Mithu Sanyal spricht über Geschlecht und Sexualität in Zeiten von #metoo
ein Gespräch mit Birgit Stammberger
Mithu M. Sanyal, Autorin, Kulturwissenschaftlerin und Journalistin, erhielt für ihre Hörspiele und Feature hauptsächlich für den WDR bereits dreimal den Dietrich Oppenberg-Medienpreis der Stiftung Lesen. Ansonsten arbeitet sie für diverse Sender und Zeitungen, wie den BR, SWR, Deutschlandfunk, DIE ZEIT, MISSY Magazine, Konkret, Vice etc. Sie hat eine regelmäßige Kolumne in der taz. 2009 erschien ihre Kulturgeschichte des weiblichen Genitals Vulva im Wagenbach Verlag (Neuauflage 2017); 2013 schrieb sie zusammen mit den #Aufschrei-Frauen „,Ich bin kein Sexist, aber …‘. Sexismus erlebt, erklärt und wie wir ihn beenden“ (Orlanda); 2016 erschien ihre Debattengeschichte Vergewaltigung. Aspekte eines Verbrechens in der Edition Nautilus. Dafür wurde sie mit dem Preis Geisteswissenschaften international ausgezeichnet.
Birgit Stammberger: Die wichtige Einsicht des Feminismus ist, dass Geschlecht konstruiert ist und das Beharren auf ein weibliches und männliches So-Sein niemals nur eine Faktizität beschreibt. Vielmehr ist die Biologie des Geschlechtes ein machtvolles Narrativ, das unter dem Anschein des Natürlichen vor allem eins suggeriert: Handlungsunfähigkeit. Doch die Vorstellung, dass es Frauen und Männer (und sonst nichts) gibt, gründet auf dem außerordentlich beharrlichem und machtvollem Narrativ von der natürlichen Zweigeschlechtlichkeit des Menschen. Wie können wir die Einsicht des konstruierten Geschlechts stark machen, wenn es um Opfer sexualisierter Gewalt geht, die doch – empirisch gesehen – vor allem Frauen sind?
Mithu M. Sanyal: Das ist eine ganz schwierige Frage. Bis zu der zu Recht gefeierten Strafgesetzänderung von 1997 konnten in Deutschland nur Männer Vergewaltiger…