Sex, Drugs and Dinosaurs
Über die Strategien des Kunsthipsters und modernen Mythomanen Wallace Berman
von Thomas Mießgang
Es gibt eine frühe Bleistiftzeichnung von Wallace Berman aus den 1940er-Jahren – lange, bevor er sich selbst als Künstler bezeichnete –, die gleichwohl bereits sein ganzes ästhetisches und lebenspraktisches Programm in einer Nussschale enthält. Eine Zeichnung, die dem Musiker Bulee „Slim“ Gaillard gewidmet ist und sich Bermans Begeisterung für BeBop, Rhythm and Blues und anderen Emanationen afroamerikanischer Coolness verdankt: Man sieht im Zentrum das breit lachende Gesicht des Sängers, der mit Nonsense-Liedern wie Flat Foot Floogieberühmt wurde. Aus seinem linken Mundwinkel tropft ein dünner Blutstrahl, der sich unter dem Fuß eines mit einer Toga bekleideten Körpers zu einer Lache ausdehnt. Eine abgetrennte Hand ist gerade im Begriff, eine Operationsspritze in ein Auge von Gaillard zu stoßen, den dies jedoch nicht weiter anzufechten scheint. Die Komposition der Zeichnung imitiert die Form eines großen V und lässt wie in einem kubistischen Kataklysmus Menschen, Tiere und Objekte ineinander stürzen: Ein nackter Frauenkörper, dessen Arm sich in eine Schlange verwandelt hat, kragt nach rechts aus, links reckt eine halbakustische E-Gitarre ihren Hals phallisch nach oben. Direkt über dem mit einer Mütze bedeckten Haupt von „Slim“ Gaillard aber sieht man zwei Dinosaurier, sowie einen – männlichen? weiblichen? – Torso mit zwei blutigen Armstümpfen, das Gesicht ekstatisch himmelwärts gerichtet, als wäre es eine Inkarnation der heiligen Teresa von Avila. „Seine Jazz-Zeichnungen“, schreibt Christopher Knight „kombinieren eine akademische Darstellungsform mit einer surrealistischen Syntax. Er versucht auf diese Weise ein nahtloses, synkopiertes Porträt…