Uta M. Reindl
Sean Scully
Galerie Karsten Greve, 12.1.-10.2.1990
Unterschiedlich bricht sich die Strenge in den abstrakt-geometrischen Gemälden von Sean Scully, die eine auf klare Formen verknappte Komposition mit sich bringt. Behäbige, orthogonal angeordnete Farbbänder nehmen die Leinwand ein und eröffnen, indem sie betont malerisch und unperfekt definiert sind, genügend Spiel-Raum für Poesie und Sinnlichkeit.
Der Nordamerikaner Sean Scully (geb. 1945) gehört zu den Malern der Farbfeldmalerei. Was Barnett Newman, ein Gründungsmitglied der New Yorker Schule, über die konkrete Kunst generalisierte, nämlich daß die Europäer sich mit der “Transzendenz der Dinge” beschäftigen, die Amerikaner dagegen mit der “transzendentalen Erfahrung selbst”, mag zum Verständnis der Bilder des hierzulande noch recht unbekannten Malers beitragen.
Die geometrischen Sujets entfalten sich in den Ölarbeiten des gebürtigen Iren auf einem Ensemble von Leinwand-Paneelen. Mit dieser “Architektur” hebt Scully die Zweidimensionalität der Gemälde auf, gleichzeitig relativiert er die Starrheit der Bildwelten. So integriert der Künstler entweder kleinere Paneele in größere, oder die gesamte Darstellung konstituiert sich aus mehreren Leinwänden. Jene Paneele bieten mit ihrer Geometrie oft eine Replik auf die herrschende Komposition: Horizontal verlaufende Farbbänder erwidern vertikale oder umgekehrt. Was Carter Ratcliff in einem Katalogtext als “Mikro-Klima” eines jeden Paneels bezeichnet, bestimmt das Gesamtklima der Bilder mit. Die Arbeiten setzen sich aus Widersprüchen zusammen, die ganz gut miteinander auskommen.
In den letzten Jahren variierte Scully zunehmend Format und Tiefe der Leinwände wie auch die Breite der Farbstreifen, was den Arrangements eine Lebendigkeit und Leichtigkeit verlieh, eine Qualität, die in den bei Karsten Greve ausgestellten Arbeiten von 1989 weniger stark zum Tragen…