JÜRGEN RAAP
Schweigen
Oberlandesgericht Köln, 20.3. – 25.4.2003
Ehrfurchtheischend präsentiert sich das Gebäude des Kölner Oberlandesgerichts in pompösem wilhelminischen Neo-Barock. “Angst macht Schweigen” postulierte der französische Dichter Alfred Jarry, und nach dem Obrigkeitsverständnis des 19. Jh. sollten die armen Sünder wohl schon beim Betreten solch einer kuppelgekrönten Treppenhalle kleinlaut werden. In dieser Kulisse realisierten die beiden Kuratorinnen Kathrin Luz und Ulrike Jagla-Blankenburg eine Ausstellung mit Künstlern “aus dem Umfeld Kölns”. Auswahl und Platzierung der Exponate mussten so vorgenommen werden, dass sich einerseits die Kunst gegenüber der optischen Dominanz dieser preußischen Repräsentationsarchitektur behaupten konnte, andererseits jedoch das Publikum nicht mit plakativer Grellheit, sondern mit einer subtilen Bildersprache konfrontiert wurde – eine Gratwanderung, die alle Beteiligten angesichts dieser spezifischen räumlichen Vorgabe mit Erfolg absolvierten. So leistete Peter Zimmermann eine ironische Brechung dieses pathetischen Ambientes mit einer “Kommunikationsgirlande”, die quer durch die Halle gespannt war. Horst Münch wählte die Gedenktafel mit den Namen der im Ersten Weltkrieg Gefallenen als Platz für einen karikaturhaften schwarzen Kopf, hinter dem ein riesiger Holzsockel den Blick versperrt – als bewusste paradoxe Umkehrung des Verhältnisses zwischen Denkmalplastik und Sockel. Einen politisch-historischen Kontext thematisierte ebenso Rosemarie Trockel mit ihrer Installation über Beate Klarsfeld, die 1968 Berühmtheit erlangte, als sie den damaligen Bundeskanzler Kurt-Georg Kiesinger wegen des Verschweigens seiner Nazi-Vergangenheit ohrfeigte.
“Schweigen” lautete der Titel dieser Themenausstellung ausgerechnet an einem Ort, wo bei der Verhandlung über ein individuelles Schicksal die Rhetorik eines Plädoyers entscheidend ist. Boaz Kaizman hatte den Text “Secrecy” (=Verschwiegenheit) mit Teppichbodenmaterial in einer Wartenische ausgelegt – dort halten Zeugen und…