Michael Hübl
Schumpeters Schatten
Steigende Selbsttötungsrate und brennende Bilder: ein Zusammenhang?
Der Museumsdirektor als Brandstifter: ein Albtraum für alle, denen Dürer, Dubuffet oder Doll am Herzen liegen, denen die Werke eines Masaccio, Manet oder Majerus für unersetzbar gelten und die Tintoretto, Turner oder Tuymans hoch halten. Doch siehe da: In Italien, einem Land, das durch futuristische Manifeste schon früh auf Kunstvernichtung eingestimmt wurde, tritt jetzt Antonio Manfredi auf den Plan, Direktor des Contemporary Art Museum (CAM) in Casoria, einer 80.000-Einwohner-Stadt im Agglomerationsgürtel von Neapel, italienisch: „nel hinterland di Napoli“. Mitte April hat Manfredi begonnen, Kunstwerke zu verbrennen. Zunächst „Promenade“ (2008) gemalt von Sevérine Bourguignon, ein Bild, wie geschaffen für einen Akt symbolisch aufgeladener Brutalität, denn es zeigt, nein: zeigte eine feine, filigrane, verletzliche Blüte. Später ging eine Arbeit von Astrid Stöfhas in Flammen auf, diesmal mit einem ruppigen Sujet – einer Szene aus der Fußballwelt mit dem entsprechenden Titel „Soccer“. Drei Werke pro Woche sollten verbrannt werden. Eine „Verzweiflungstat“, wie das Manager-Magazin schreibt1? Eine aufrüttelnde Notwendigkeit, wie Stöfhas meint? Ist sie doch überzeugt: „Letztendlich hab ich keine Wahl. Wenn das Museum in Casoria schließt, bin ich dort auch nicht mehr präsent” 2. Was zugespitzt so viel heißt wie: Ohne Öffentlichkeit keine Künstlerexistenz. Da sein und nichts zu bewirken, nicht einmal Wahrnehmung von außen, das ist wie eine besondere Art des thermodynamischen Wärmetods.
Die Aktion des Museumschefs, der mit Ausstellungen wie „CAMORRA“2008) oder „AfriCAM“ (2009) erst die Mafia und danach die rassistische Rechte gegen sich aufgebracht haben soll, ist hochgradig aufgeladen…