CLAUDIA WAHJUDI
Schrumpfende Städte //
Shrinking Cities
Eine Ausstellung zu den Folgen der Deindustrialisierung
Kunst-Werke 04. 09.04 – 07.11.04
Angler, Pilzsammler, Melker und Wurmhändler: Das sind die Berufe des 21. Jahrhunderts. So zumindest sehen es die Grafiker Boris Spiridonov, Savva und Sergei Miturich, die in ihrem illustrierten Leporello Erwerbstätigkeiten für die russische Textilstadt Ivanovo vorstellen. Ungläubige Betrachter könnten das für Fiktion halten, zeigten nicht eine Wand weiter die Schwarzweißaufnahmen der Moskauer Fotografinnen Elena und Vera Samorodova Frauen, die ihre Pilzfunde am Straßenrand feilbieten. Postsozialistischer Alltag also? Nicht nur. Der Berliner Künstler Ingo Vetter hat erwerbslose Bewohner Detroits fotografiert, die Pilze und Zucchini anbauen – mitten im Zentrum der US-amerikanischen Autostadt, die einmal als Synonym für rationalisierte Fabrikproduktion galt.
Sammler, Jäger, Bauern: In den Industriestaaten, so lautet eine These der Gastausstellung “Schrumpfende Städte // Shrinking Cities” in den Berliner Kunst-Werken, ist das Ende des Wachstums erreicht. Subsistenzwirtschaft statt technischen Fortschritts, individueller Überlebenskampf statt organisierter Massenarbeit, sinkende Geburtenzahlen statt Babyboom. Selten hat eine Ausstellung in Deutschland den gegenwärtigen Epochenwandel so drastisch bebildert. Mit der Behauptung vom Ende des Wachstums trifft “Schrumpfende Städte”, zentraler Teil eines dreijährigen Initiativprojekts der Bundeskulturstiftung, zudem den Nerv der Zeit in einem Land, wo die Hoffnung auf einen “Aufschwung Ost” dem Rückbau ganzer Stadtteile und dem Ende des Wohlfahrtsstaats gewichen ist.
Weltweit soll in den 90er Jahren jede vierte Stadt geschrumpft sein. Das Kuratorenteam um den Berliner Architekten Philipp Oswalt konzentriert sich in seiner Ausstellung mit angegliedertem Wettbewerb und umfangreichem Rahmenprogramm auf vier Beispiele: die Regionen Detroit und Ivanovo, Manchester/Liverpool und Halle/Leipzig….