Aktuelle Kolumne
Schöne Abstinenz?
von Lothar Romain
Was die Regierung selbst von der viel geforderten geistig-moralischen Wende hält, hat sie in der letzten Zeit einige Male deutlich zu verstehen gegeben. Mit Geist hat das wenig zu tun, eher mit dem Gegenteil. Moral ist, wenn sie denn schon bei einem selbst gefordert sein sollte, ein Fall zum Aussitzen. Dazu bedarf es der Gelassenheit und eines breiten Gesäßes und der besonderen Fähigkeit, fest sitzend die Unmoral bei den anderen zu diagnostizieren und festzumachen. Im Fall W. war es nach Übereinkunft vieler Politiker aus dem Regierungslager, für die der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Alois Mertes, im Saarländischen Rundfunk sprach, wieder einmal die Presse, die einen verdienten deutschen Politiker “fertigzumachen” versucht hat.
Regierende aller Couleurs lieben es, ihrem Sitzfleisch einen moralischen Stempel aufzudrücken. Insofern ist es mit der Wende nicht so weit her. Doch diese Regierung, speziell der für das Innere zuständige Minister, benutzt die Moral nicht nur als Tarnkappe für ihren Machtpragmatismus, sondern – in griffige Parolen gegossen – als Motor für einen neuen Rechtspopulismus. Es genügt ihm nicht, Macht auf Zeit demokratisch erworben zu haben, sondern er möchte sie gegen alle wirksam einsetzen, die der Fraglosigkeit und dem Totalitätsanspruch dieser Macht gefährlich sein könnten – und das sind seit alters her in diesen unseren deutschen Landen immer die Intellektuellen wie die Künstler und Schriftsteller gewesen.
Es züngelt an allen Ecken, doch viele wollen noch immer nichts von einem Brand wissen. Wo der Bund direkt Macht ausüben kann, setzt er sie ohne zu Zaudern ein. Die Filmer…
