Anne Krauter
Schock und Schöpfung
Württembergischer KV, Stuttgart, bis 18. 5. 1986
Zur Eröffnung hat es in Stuttgart eine Gegenausstellung gegeben: »Geschockt und erschöpft«. Vielleicht ist es bezeichnend, daß sich diese Künstler inzwischen mit ihren Werken im Württembergischen Kunstverein eingefunden haben und die Abteilung der achtziger Jahre verstärken. – Und das Vorurteil, dem sich auch die Veranstalter nicht ganz entziehen können, heutzutage sei nichts mehr los, gäbe es keine Innovation mehr.
Zwischen einem Punkt aus Pappmaschée, der dröge auf einer Mülltonne hockt, und den Kleiderstangen eines Edel-Punk-Laden sitzen sie nun. Eben noch Gegenwart, sind Parkas, Demonstranten, Jeans und Jutesäcke gleichermaßen in den Bereich kulturhistorischer Aufbereitung gerückt. Zahlreiche Schrifttafeln und Pappstellwände mit vergrößerten Fotos schieben sich zwischen die Requisiten, die doch, wie kaum eine Ausstellung der letzten Zeit, »zum Anfassen« gedacht sind. Doch die athmosphärische Garnierung der Schau, Gedichte aufsagende, sich unterhaltende Jugendliche und kreischende Beatles-Fans, stören nur beim Lesen. Eine verkürzte, oberflächliche Darstellung des Kataloges ist die Ausstellung ohnehin. Auch er legt großes Gewicht auf das aktuelle Jahrzehnt, diskutiert Subkultur, Fußball, die Provinz. Doch nicht aus der Sicht heutiger Jugend, sondern aus dem Blickwinkel jener, die es vor rund zwanzig Jahren gewesen sind. Die Zeit davor, insbesondere die erste Jahrhunderthälfte, findet kaum noch Platz, Wandervögel, die Hitler-Jugend werden eher summarisch und ohne qualitativen Unterschied in Bildtafeln, einem Zelt mit Kochgeschirr und einer Propagandarede abgehandelt. Darüber schwebt der Anspruch, die Jugendästhetik im 20. Jahrhundert vor Augen zu führen. Diesem kann das Konzept nicht gerecht werden, das nicht einmal zwischen Jugendbewegung und Ästhetik unterscheidet. (Württembergischer…