IRENE VÖGELI
SCHMUTZ-GLOSSAR
VERBEN UND WÖRTER ZUM UNREINEN UND REINEN
(Bia.) Das Auge, das Schmutz wahrnimmt, schläft im folgenden Glossar nie. Ob wir die Trümmer des 11. September in New York, die Müllhalden Indiens oder ein in Ruinen liegendes Berlin betrachten, der Schmutz dringt immer in unsere Sicht auf die Welt und die Menschen. Das “Schmutz-Glossar” entfaltet unsere Vorstellungen von Reinheit, Unberührtheit, Ordnung und dem Geheiligten; Vorstellungen, deren Gegenteil sich in Tabu, Profanierung und Besudelung, in der Angst und im Bösen manifestiert. Solche Denkmuster sind, wie die Zürcher Kunsttheoretikerin Irene Vögeli darlegt, vorab Versuche, eine Ordnung zu schaffen und festzuschreiben. – Kafka bemerkte einmal, dass der Schriftsteller einer ist, der nichts zu sagen hat. Was sein Schaffen ausmacht und antreibt, ist nicht das, was er sagen will, sondern das bloße Bedürfnis zu schreiben. Die Matrix des “Schmutz-Glossars” basiert auf der Montage von eigenen und fremden Gedanken, so dass ein Hypertext, ein Konglomerat von ineinander gefügten Textteilen entstanden ist, wo sich nicht klar rekonstruieren lässt, was von der Autorin und was aus den im Literaturverzeichnis aufgeführten Büchern stammt. Irene Vögeli verfasste einen Hybriden aus Schmutz und Stilreinheit. Sie meint dazu: “Die Arbeit hat weniger einen wissenschaftlichen als einen ästhetischen Anspruch.” Es sind Verben und Wörter, geschrieben für ein Zeitalter der Verschmutzung. Die hier verwendeten Begriffe erheben keinen Anspruch auf allgemeine Gültigkeit, sondern bieten sich als Arbeitshypothesen für jene an, welche die im Glossar und im Heft “Theorien des Abfalls” vorgebrachten Überlegungen und Untersuchungen weiterführen wollen. Absicht des “Schmutz-Glossars” ist nicht, Thesen zu propagieren,…