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Fragen zur Zeit · von Michael Hübl · S. 40 - 43
Fragen zur Zeit ,

Fragen zur Zeit
Schleichend zu Schlafwandlern?

Wenn die Schreckensbilder fehlen: das Glatte, das Gängige und die Gewöhnung als Menetekel

von Michael Hübl

‚Glimmstängel‘, ‚Sargnagel‘, ‚Fluppe‘ oder im Österreichischen ‚Tschik‘: Für Zigaretten hat sich eine Reihe salopper Synonyme eingebürgert. Auch die ‚ Kippe‘ gehört dazu. Durch eine Szene in dem Film La salaire de la peur (Lohn der Angst, 1953) des Regisseurs Henri-Georges Clouzot hat der Begriff eine gewichtige semantische Erweiterung erfahren. Denn die Kippe wird dort zum Signal für einen Kipppunkt, durch den sich die Lage für die Betroffenen radikal und endgültig verändert.

Der Maler Andreas Lau hat diesen Moment aufgegriffen. In der langen Geschichte des Wechselverhältnisses zwischen handwerklich geschaffenen und technologisch generierten Bildern, die mit Fotografie-Pionieren wie dem Maler Louis Daguerre ihren Anfang nimmt und über die Fin-de-siècle-Porträts eines Franz von Stuck oder den Gemäldezyklus 18. Oktober 1977 von Gerhard Richter bis in die Gegen wart reicht, hat Lau eigene Akzente gesetzt. So hat er etwa Abbildungen von Celebrities und anderen Personen, die im kollektiven Gedächtnis verankert wurden, dekonstruiert, indem er sie in gemalte, aus relativ groben Partikeln aufgebaute Texturen übersetzte, die verschwommen, schlierig, unscharf, schwebend scheinen und so die Wahrnehmung der bekannten Bilder neu strukturieren. In einer seiner frühen Arbeiten beschränkt Andreas Lau die Verfremdung auf Format und Farbe. Dargestellt sind Hände, die eine Zigarette drehen. Es ist die Szene aus Clouzots Filmklassiker: Der Schauspieler Charles Vanel alias Jo müht sich, für seinen Kumpel Mario (Yves Montand), der am Steuer eines mit Nitro glycerin beladenen Lkws sitzt, einen Glimmstängel zu verfertigen. Vergeblich….

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