Michael Hübl
Schillernder Fokus
August Strindberg und die Photographie
Galerie des Agfa Photo-Historamas, Köln, 4.4. – 16.8.1998
Crossover, Multitasking-Fähigkeit, wildes, assoziatives Denken: Das sind aktuelle Begriffe, mit denen das ausgehende 20. Jahrhundert dem monokausal-linearen, cartesianisch geprägten Rationalismus verschiedentlich Absagen erteilt. Schon der Begriff von den “Zwei Kulturen”, den der Physiker und Romancier Charles Percy Snow 1956 in der Absicht einführte, die Gleichwertigkeit der Naturwissenschaften gegenüber den sich überlegen dünkenden Geisteswissenschaftlern, Intellektuellen und Literaten zu proklamieren – schon diese 1959 nochmals und diesmal folgenreich akzentuierte Dichotomie1 beklagt eine Grenzziehung, die das westliche Denken seit der Aufklärung begleitet, und die heute, rund 40 Jahre nach Snows “Rede Lecture” in Cambridge, aus entgegengesetztem Blickwinkel betrachtet wird. Der Primat der technisch-naturwissenschaftlichen Intelligenz stellt sich inzwischen vielfach als Sackgasse dar; allenthalben werden Versuche unternommen, auch mit Hilfe der Künste zu Formen der Weltaneignung zu gelangen, die der Komplexität der Wirklichkeit womöglich besser gerecht werden als die einfache und ausschließliche Anwendung instrumenteller Vernunft. Maler, Plastiker, Performer haben nicht zuletzt in der Auseinandersetzung mit der Moderne die Trennung zwischen den exakten Wissenschaften und den schönen Künsten oft genug bewußt ignoriert und außer Kraft gesetzt. “Schön”, im Sinne von nur noch “gefällig, augenschmeichelnd”, mochte man nun gerade nicht mehr sein, sondern man wollte im eigentlichen Wortsinn mitmischen. Siehe etwa die quasi-alchimistischen Arbeiten eines Joseph Beuys oder Sigmar Polke.
Wo etwas Neues dabei ist, sich zu etablieren, setzt meist ein Prozeß der Rückversicherung ein. Das Augenmerk richtet sich auf Personen, an denen sich die eigene, noch im Werden begriffene Situation, modellhaft abzeichnet….