SALLY JANE NORMAN
Schauspielende Körper:
Erscheinungen, Blut und Eingeweide
Technologischer Fortschritt bringt neue Repräsentationssysteme mit sich, die sich an unsere Seh- , Hör- und Tastfähigkeiten richten und unvermeidbar frühere Repräsentationsformen stören. Stilleben haben sich in Bildschirme mit künstlichem Leben verwandelt, Portraitmalerei weicht digitalen Mischungen unserer vampirisierten Gesichtszüge und Landschaftsmalerei (Himmel, Meer, Stadt, Sterne) ist zur immersiven virtuellen Umgebung geworden, die auf unsere fein abgestimmten Unbeweglichkeiten reagiert.
Malerei, Skulptur, Installationen und Environments unterscheiden sich jedoch weitgehend von der darstellenden Kunst, da ihr der menschliche Körper als Medium dient. Die Zukunft der darstellenden Kunst und ihre theatralische Eigenheit hängen daher von dem entstehenden Beziehungsgefüge zwischen dem menschlichen Körper und neuen Technologien der Repräsentation ab.
Theatralische Entwürfe von neuen Ich-Darstellungen
Nie dagewesene Formen körperlichen Seins haben die menschliche Phantasie seit jeher beflügelt. Das Sprichwort, daß die Fiktionen von heute die Realitäten von morgen sind, bietet sich für Entwürfe an, die den menschlichen Körper betreffen. Künstlerische Visionen haben oft eine Vorausschau und Einsicht in zukünftige Weisen des Seins geliefert. Die darstellende Kunst war schon immer stark im Hinweisen auf mögliche zukünftige Ideen und Ideale, da diese Kunst ihre Eigenheit in der Darstellung von Wirklichkeit findet, die sich außerhalb der Sphäre der täglichen Existenz ansiedelt. Im allgemeinen Konsens entledigt sich die Öffentlichkeit von Begründungs- und Glaubensmustern, die in weltlichen Angelegenheiten gültig sind, um gegenwärtig ein Universum zu schaffen, das andere Realitäten und Möglichkeiten postuliert.
Deshalb hat das Theater oft als Arena der Erwartung gedient, als ein einzigartiges Laboratorium, in das unsere sterblichen Mitmenschen auf unwahrscheinliche Erscheinungen und Situationen gesetzt haben. Dieses paradoxe…