Rüdiger Wischenbart
Schauen fotografieren beschreiben
Als im Herbst 1980 in der Grazer Fotogalerie im Forum Stadtpark das zweite “Symposion über Fotografie” abgehalten wurde . sind mir vier Referate aufgefallen, in denen, aus jeweils anderer Perspektive, versucht wurde, Fotografie in einer Weise zu beschreiben, die sich von der Mehrzahl gängiger Annäherungen grundsätzlich unterschieden. Die Referenten waren Jochen Gerz und Herbert Molderings aus der Bundesrepublik, Albert Goldstein aus Jugoslawien sowie Nathan Lyons aus den USA. Bei aller Unterschiedlichkeit in der Argumentation glaube ich, daß sich ihre Ausführungen in einer ähnlichen Konzeption von Fotografie treffen und wesentlich zu einer kritischen und dynamischen Theoriebildung innerhalb der aktuellen Diskussion um Fotografie beitragen können. Ich möchte deshalb versuchen, Schnittpunkte der vier Ansätze und einige der daraus erwachsenden Folgerungen darzustellen. Eine wesentliche Einschränkung muß ich allerdings machen: meine Überlegungen sind von vornherein nicht mit dem Anspruch auf Vollständigkeit formuliert – ich zweifle auch, ob ein solcher Anspruch beim derzeitigen Stand der Diskussion durchführbar und sinnvoll wäre -, eher schon als Skizze. Mein Interesse galt einer ersten und somit auch vorläufigen Sondierung des vor mir liegenden Materials.
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“Zum Bild wird das Bild scheinbar ganz und gar, wenn das was es ausgelöst hat und das was es abgebildet hat, abwesend sind. Das Bild hat die Dauer, die das Leben nicht hat. Es ist deshalb nicht ein Bild vom Leben, eher ein Bild von dessen Überwindung”, meinte Jochen Gerz am 2. Grazer Symposion über Fotografie. Vorher, zur Erläuterung: käme Leonardo da Vinci in den Louvre, um die Joconde zu Ende zu malen,…