Saša Spačal
Symbiosen und planetarische Verflechtungen
von Regine Rapp
vom Ich zum Wir
Eine posthumane oder postanthropozentrische Weltsicht heißt nicht, den subjektiven Standpunkt aufzugeben, vielmehr aber ihn zu dezentrieren und von neuen Formen der Gemeinschaft durchdringen zu lassen.1 Nach allen Erkenntnissen der neueren mikrobiologischen und biotechnologischen Forschung können wir uns im 21. Jahrhundert nicht mehr als separates Individuum betrachten. Wir gleichen vielmehr einem Kollektiv menschlicher, pilzlicher, bakterieller und viraler Agenten, die uns zu dem machen, was wir sind – wir leben in Symbiose.2 Von diesem Punkt aus bewegen wir uns nach außen in eine Welt, in der wir nur Teil eines Stroms von Interaktion und Werden sind, im Austausch mit unzähligen Anderen. Lynn Margulis hat es bereits vor mehr als zwei Jahrzehnten postuliert: „Wir sind Symbionten auf einem symbiontischen Planeten, und wenn wir genau hinschauen, finden wir überall Symbiose.“3
Genau diese Bedingungen bilden den Rahmen für die performative Ästhetik und Ethik der künstlerischen Arbeiten von Saša Spačal (*1978). Ihre Projekte wenden faszinierende biotechnologische Strategien an, die physische Erfahrung von Immersion und das philosophische Erleben von Verflechtung und Netzwerk ermöglichen. Ohne jemals den künstlerischen Wert ästhetischer Erfahrung einzubüßen, nutzt Spačal aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse und Laborpraktiken der Biologie – insbesondere der Mikrobiologie und Mykologie, der Wissenschaft von Pilzen. Damit schafft sie besondere Begegnungen, die durch nichtsprachliche Formen der Wahrnehmung und des Austauschs vermittelt werden – akustische, elektronische und metabolische. Die künstlerischen Ergebnisse bieten ein neues Repertoire, um die Welt in ihrer symbiotischen Komplexität neu zu erschließen.
Mykozentrische Netzwerke
In ihrer aktuellen künstlerischen Projektreihe Myco-Mythologies (2020–laufend) erkundet Saša Spačal…