KLAUS GÖRNER
Sammler der Zukunft
EIN VERSUCH ÜBER JOSEPH BEUYS
Alttestamentarische Vorrede: das Modell Noah
Der Sammler und sein Tun sind neuerdings wieder Gegenstand eines allgemeinen Interesses. Die Psychopathologie seiner Motive, seine Funktion in der Gesellschaft und, im Falle der Kunstsammlungen, seine Rolle im Markt und sein Verhältnis zu öffentlichen Sammlungen werden erneut untersucht.
Zu Zeiten, als es noch üblich war, Patrone zu wählen, hatte der alttestamentarische Noah gute Chancen, Schutzheiliger der Sammler zu werden. Die ihm von Gott auferlegte Gunst und Gnade, durch eine gewaltige Sammlung Retter der Tierwelt und, in Gestalt seiner selbst und seiner eigenen Familie, Retter der Menschheit zu werden, qualifizierte ihn ausreichend zu diesem Amt.
Vergegenwärtigen wir uns nochmals die Geschichte: die Dinge laufen schlecht, die Entwicklung geht abwärts, so wenigstens die Einschätzung Gottes. Es wird ein Zustand erreicht, der nach einem reinigenden Ende verlangt. Zugleich ist aber nicht alles von Übel, denn zumindest Noah ‘fand Gnade vor dem HERRN’. Es soll also ein neuer Anfang gesetzt werden, ein neues Beginnen zwischen Gott und seinen schwachen, fehlerhaften Geschöpfen. In einem heftigen Guss wird alles vernichtet, was der gewissenhafte Sammler1 nicht in seinem Kasten birgt. Die Sammlung Noahs bildet die Brücke vom vorsintflutlichen Bestand zum postkatastrophalen. Alles, was die Arche barg, wurde bewahrt. Sammeln heißt retten, aber retten wozu?
Aus den Elementen der Sammlung den lebenden und auch herrschenden Besatz der Erde neu entstehen zu lassen, muss als Ziel dieses aufwendigen Unternehmens angenommen werden. Sammeln heißt also auch, das Material zu sichern für einen rekonstruktiven Neubeginn. Ob es nun ganz gut begonnen…