Johannes Meinhardt
Salvador Dalí (1904-1989)
Staatsgalerie, 13.5.-23.7.1989
Kunsthaus Zürich, 18.8.-22.10.1989
Der Vorteil einer so umfangreichen Retrospektive (über 300 Exponate von 1915-1978, darunter Zeichnungen, Objekte, Plastiken; dazu ein umfassender Überblick über die Graphik) ist, dass sie erlaubt, eingewurzelte Vorstellungen oder Vorurteile zu überprüfen (und meistens beizubehalten). Ein erstes Vorurteil bestätigt sich sehr deutlich: dass Dalí spätestens nach 1939, in den USA, zu einem Heros der Warenästhetik und der Vermarktung von Waren geworden ist. Etwa die Hälfte der Exponate stammt aus Dalís grosser `surrealistischer’ Zeit 1929-1939, ein grosser Teil der anderen Hälfte führt die weitere Entwicklung vor: in dieser verändert sich im Werk äusserlich nur wenig; und doch verbergen diese kaum wahrnehmbaren Veränderungen, den Verlust der ausserordentlichen Virulenz, die Dalís Arbeiten zehn Jahre lang auszeichnete.
Von 1915 bis 1929 ist Dalí ein begabter Schüler, der fast alle stilistischen Bewegungen mit- und nachvollzieht: vom Pointillismus bis zum Futurismus, vom Kubismus bis zur `pittura metafisica’ (Boccioni und De Chirico bleiben auch technische Hauptanknüpfungspunkte); und nach 1937, spätestens aber 1939 erstarrt die psychische und intellektuelle Arbeit seiner privaten `kritisch-paranoischen’ Phantasien und wird zu einem gefälligen Vokabular, das er nur noch kombiniert und mechanisiert und immer unverhüllter in den Dienst der `polymorph-perversen’ Erotisierung der Warenwelt einsetzt. Er betätigt sich als Schmuck-, Möbel- und Modedesigner, als Werbegraphiker, Dekorateur, Regisseur von Selbst-Inszenierungen und einer Art von Happenings. Nach 1939 beginnt Dalí auch wieder, von allen Seiten technische Anregungen zu verarbeiten und zu benützen: vom tachistischen oder abstrakten Informel über Op Art bis zur Pop Art findet sich alles in seinen Gemälden wieder.
Dalís…