Heinz Schütz
Rüdiger Schöttle: Theatergarten “Bestiarium”
Künstlerwerkstatt Lothringer Straße, 28.10. – 29. 11.1987
Die avantgardistische Zauberformel »Versöhnung von Kunst und Leben« zielt auf Entzauberung, d.h. auf die Demaskierung des schönen Scheines und die Aufhebung seiner Institutionen. Von dem Tabula rasa riskierenden Vorwärtssturm klassischer Avantgarde unterscheidet sich RÜDIGER SCHÖTT-LES Konzeption seines Theatergartens zwar durch den bewahrenden Rückgriff auf historische, insbesondere barocke Theaterformen, doch partizipiert er an der Kunst und Leben versöhnenden Utopie, wenn er Aufklärung in ihre Schranken verweisend fordert: »Überwinden wir eine Kultur, die in ihrem Erhellenwollen alles verdunkelt … Dadurch, daß die Welt zur austauschbaren Ware wurde, verwandelte sich der Abstand zu dieser zu einer grenzenlosen Eigentumsvorstellung, die ihr gegenüber nur noch aus dem Interesse fortwährenden Besitzenwollens sieht.« (Der getanzte Louis XIV tanzt, in: Kunstforum Bd. 81)
Mit dieser Einsicht nun läßt sich Schöttles Entwurf des »Neuen Theaters« vermitteln, den er bereits in seinem Essay (Kunstforum Bd. 81) vornimmt. Die Warenwelt triumphiert, sie greift über auf die Kunst – 46 Millionen Dollar für ein Bild van Goghs -, sie ist es, die Hand in Hand mit Verkehr und Verwaltung den öffentlichen Raum okkupiert. Die Folge ist, daß öffentliche Foren, die leibhaftige Teilnahme an der »res publica« ermöglichen, verschwinden; Öffentlichkeit wird nur mehr abstrakt über die Suggestionen der Massenmedien hergestellt. Hier knüpft Schöttles Entwurf des »Neuen Theaters« an, wenn er auf das barocke Theater verweist, wo noch keine Rampe Bühne und Zuschauer unumstößlich trennt, wo soziale und schauspielerische Rolle sich durchdringen, wo Bühne, Orchesterbereich und Parkett mit dem »Zuschauerbereich der Ränge in einer…