ruangrupa
Go with the Flow
Oder: Die Genesis des kollektiven Rhizoms
Ein Gespräch mit Mitgliedern des indonesischen Kurator*innenkollektivs von Heinz-Norbert Jocks
Alle fünf Jahre blickt beinah die ganze Welt erwartungsvoll und neugierig auf Kassel, wo seit 1955 die von Arnold Bode ins Leben gerufene documenta stattfindet, eine der weltweit wichtigsten Überblicksausstellungen zeitgenössischer Kunst. Sie zeichnet sich nicht nur dadurch aus, dass sie eine breitangelegte Bestandsaufnahme liefert. Sie gilt zudem auch als treibender Diskursmacher, als richtungsweisend für den weiteren Lauf zeitgenössischer Kunst und Wegbereiter, als so innovativ wie antizipierend.
Die fünfzehnte Ausgabe, die am 18. Juni 2022 von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit kritischen Tönen eröffnet wurde und wie immer insgesamt 100 Tage dauern wird, weist viele erste Male auf. Noch nie wurden indonesische Künstler*innen nach Kassel eingeladen, und noch nie wurde ein Kollektiv aus Asien zum kuratorischen Team ernannt. ruangrupa, die passionierten Macher*innen der documenta fifteen, ist ein zehnköpfiges Kollektiv aus Künstler*innen und Kreativen in Jakarta, das sich im Jahre 2000 auf Initiative von Ade Darmawan unmittelbar nach dem Fall der von 1967 bis 1998 herrschenden, blutigen Diktatur unter General Suharto, also zu einer Zeit gegründet hat, als der Hunger nach Diskussionen und der Wunsch nach Neuorientierung unermesslich groß war und viele Künstler*innen den Willen zur Kooperation, zum Zusammensein und fröhlichen Zusammenabhängen miteinander teilten. Das Kollektiv, das einen Kunstraum im Süden der indonesischen Hauptstadt betreibt, realisiert seit seinen Anfängen Ausstellungen, Festivals, Publikationen und Rundfunkformate. Es hat mitunter bahnbrechende Projekte wie „Ok Video“, ein experimentelles Medienfestival, das seit 2003 in Indonesien stattfindet, und „Karbon“, eine vierteljährlich…