Jörg Restorff
Roy Lichtenstein
»Die Retrospektive«
Haus der Kunst, München, 14.10.1994 – 8.1.1995
Deichtorhallen, Hamburg, 9.2. – 30.4.1995
Is he the worst artist in America?”, fragte die Zeitschrift “Life Magazine” 1964. Da galt Roy Lichtenstein bereits als Aushängeschild der Pop Art. Was veranlaßte die Zeitschrift zu der ketzerischen Frage? Lichtenstein hatte die Stirn, mit einer Reihe von Tabus des in den fünfziger Jahren vom Abstrakten Expressionismus beherrschten Kunstbetriebs zu brechen: Nicht nur, daß er die Demonstration einer eigenständigen, unorthodoxen künstlerischen Handschrift verweigerte. Er wußte auch nichts anzufangen mit den esoterischen Farborgien, wie sie in der New York School im Schwange waren. Lichtenstein, der zuvor als technischer Zeichner, Gebrauchsgrafiker und Schaufensterdekorateur tätig gewesen war, hatte eine durchschlagende Alternative anzubieten, einen an der Trivialästhetik von Comic-strips und Werbung ausgerichteten plakativen Stil, der mit uniformen Rasterpunkten, wenigen Primärfarben, prägnanten Konturen und Sprechblasen operierte. Schließlich war es auch sein betont nüchternes Gebaren, wodurch er sich in Widerspruch setzte zum gängigen Bild vom subjektivistischen Künstlerheros, der angesichts einer widrigen Welt, in Opposition zu einer konfektionierten, auf Spießerbedürfnisse zurechtgestutzten Wirklichkeit verzweifelt um Ausdruck ringt.
Die erfrischenden Gegenbilder, mit denen Lichtenstein in den frühen sechziger Jahren bekannt wurde, zeichneten sich durch all jene Eigenschaften aus, vor denen die Abstrakten Expressionisten immer gewarnt hatten: Sie waren populär und affirmativ, oberflächlich und banal, smart, unterkühlt und jederzeit beherrscht. Keiner hat die in den Comic-strips kodifizierte Ikonographie der amerikanischen Massenkultur so geschickt angezapft wie Roy Lichtenstein. Den Comics schaute Lichtenstein auch die Reduzierung und Schematisierung der formalen Mittel ab. Auf dem Farbdruckverfahren der bunten…