Hermann Pfütze
Roman Signer – Bubenspiele
Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Rieckhallen, 30.9.2007 – 27.1.2008
Frühjahr 2008 Rochester Art Center, Rochester, Minneapolis/USA
Schön ist, was passiert. Vorher war Ordnung, hinterher ist Chaos, aber dazwischen, in der “Zone des Schönen” passieren unkontrollierbare, komische, überraschende Dinge und bilden sich neue Formen. “Denn schön ist etwas nur dann, wenn der Prozess, der zu ihm geführt hat, sichtbar ist oder aufscheint.” (Vgl. Friedrich Cramer, Kunstforum 124,1993). In diesem Sinn ist an Roman Signers Aktionen z.B. der brennende Baum schön, das im Wind über der Mojave-Steppe flatternde gelbe Band, die kreisende Rauchrakete, der abrutschende Sandkegel oder das tanzende Paar Stiefel. Sind die Aktionen vorbei, ist auch das Schöne vorbei. Die Asche, das vom Gestrüpp beschädigte Band, die ausgebrannte Rakete, der kaputte Tisch und die ordinären Gummistiefel sind nicht schön in diesem Sinn, und auch keine Kunst. Denn Flugbahnen, Leuchtringe, Schüttkegel oder Strömungen sind so forcierte wie flüchtige Formerfahrungen an der Natur; schön, aber keine Kunst. Roman Signer, inzwischen siebzig, experimentiert seit Jahrzehnten mit der dissipativen, d.h. energetischen und formbildenden Dynamik des Brennens, Sprengens und Fließens, des Reibungs- und Luftwiderstands, der Oberflächen- und Elektrospannung.
Zwar hat schon Joseph Beuys Formprozesse der Natur als ästhetische Grunderfahrung reflektiert, und arbeiten auch andere Künstler, etwa Signers Schweizer Kollegen Peter Fischli und David Weiss, oder Rebecca Horn und Wolfgang Laib, mit chemisch-physikalischen Effekten, mit Thermodynamik, Schwerkraft und Zerfall. Aber Signers dynamische Skulpturen aus Feuer und Wasser, aus Elektrizität und Schießpulver, aus Mechanik und Muskelkraft haben die größte Nähe…