Roger Hiorns
Die Dinge nicht lassen, wie sie sind.
Ein Gespräch von Michael Stoeber
Als Roger Hiorns, (*1975, Birmingham, England) 2008 mit Seizure eine Londoner Sozialwohnung handstreichartig für die Kunst übernahm, brachte ihm das einen Platz auf der Nominierungsliste für den renommierten Turner-Preis ein. Er hatte die heruntergekommene Wohnung mit 80.000 Litern einer toxischen Kupfersulfat-Lösung gefüllt, und innerhalb von drei Wochen hatten sich auf allen Wänden und Decken der Wohnung sowie ihrem gesamten Interieur blaue Kristalle gebildet. Eine ebenso gefährliche wie magische Verwandlung, die den Guardian veranlasste, darüber „as one of the truly worthwhile and significant moments of British art“ zu schreiben. Seitdem hat Hiorns seine Werke in bedeutenden Museen auf der ganzen Welt gezeigt. Deshalb tat Adam Budak, Direktor der Kestner Gesellschaft in Hannover, eigentlich etwas längst Überfälliges, als er den Künstler zu seiner ersten institutionellen Einzelausstellung in Deutschland einlud. Nur, dass hierzulande niemand zuvor daran gedacht hatte, es zu tun. Hiorns Kunst ist immer politisch grundiert. Ihm geht es nicht darum, dass die Menschen ehrfürchtig und bewundernd vor seinen Objekten, Bildern und Installationen stehen, sondern dass sie über sie nachdenken und im Idealfall ihre Haltung und Einstellung zu den verhandelten Themen ändern. Insofern ist Roger Hiorns über die Generationen hinweg ein Künstler im Geist von Bertolt Brecht. Der hatte 1922 an die Wände des Theaters, das sein erstes Stück aufführte, für das Publikum schreiben lassen: „Glotzt nicht so romantisch!“ Nicht sich wegträumen im Angesicht der Kunst, sondern mitdenken, war die Devise. Das erhoffte sich auch Adam Budak von seinen…