Reinhard Ermen
Rodin Beuys
»Sinnlich und magisch«
Schirn Kunsthalle Frankfurt 09. 09. – 27. 11. 2005
Die Konstellation drängt sich nicht auf: Joseph Beuys (1921 – 1986) erwähnt den Namen von Auguste Rodin (1840 – 1917) nur selten. Im “Beuys Kompass”, also dem “Lexikon zu den Gesprächen von Joseph Beuys”, einer stupenden Fleißarbeit zu 514 Texten und Interviews, kann der Name nur zweimal nachgewiesen werden. Dass es indessen eine Rodin-Rezeption durch Beuys gegeben hat, belegt die Kuratorin des Frankfurter Unternehmens, Pamela Kort, mit Augenmaß, detektivischem Spürsinn und spekulativer Phantasie, andre Autoren des profunden Katalogs haben weitere Indizien zusammengetragen. Reicht das zur Motivation einer großformatigen Ausstellung? Auf den ersten Metern erledigt sich vorerst die zweifelnde Frage, denn die einleitende Gegenüberstellung von Zeichnungen des weltläufigen Franzosen aus der Zeit der Jahrhundertwende mit Papierarbeiten des Niederrheiners verblüffen durch ihren Gleichklang. In zarten, gelegentlich sogar blassen Farben werden Zeichnungen gefasst, es scheint wahlverwandte Stimmung zu herrschen, anders gesagt: Die kleinen Blätter sehen sich ähnlich. Aber schon die erste, kleine Skulptur von Joseph Beuys, “Jungfrau” (1952) zerstört die Anmutung von Gleichklang, denn dieser weibliche Torso auf dem schütteren Kisseninlett mit dem aufgerissenen Geschlecht und den mit Mull verbundenen Stümpfen atmet eine Radikalität, die selbst den intimsten Formulierungen Rodins nicht in den Sinn käme.
Der Blick auf die Papierarbeiten der beiden Heroen ist jetzt ein anderer. Rodin feiert ein zartes, erotisches Spiel aus Verschleierung und Enthüllung, seine Aquarellfarben umschmeicheln die vollschlanken Umrisse, sie bieten dem Licht reizvolle Aufenthalte. Bei Beuys walten andere Motivationen, arme Materialien, Beize etwa, das vorherrschende…