Ralf Beil
Rirkrit Tiravanija
“Das soziale Kapital”
“migros museum” Zürich, 21.8. – 25.10.1998
Turnschuhe zu Aktionspreisen? Bananen im Angebot? Ja, sie haben richtig gelesen: Die Migros, der Schweizer Grossverteiler, hat eine neue Filiale an der Limmatstrasse 270. Nicht nur ein Museum, sondern endlich auch einen Supermarkt. Der in Buenos Aires geborene Thailänder Rirkrit Tiravanija (*1961), Globetrotter und Kochkünstler mit Herdstellen in New York und Berlin, hat ihn eingerichtet. Und fordert ganz real “Das soziale Kapital”.
“Schnappen Sie sich einen Einkaufswagen und treten Sie ins “mm” ein. Das Kürzel steht nicht etwa für Migros Markt, sondern für den neuen Namen “migros museum”. Während der Ausstellung von Rirkrit Tiravanija kann man dort Einkäufe tätigen. Eine reale, funktionierende Situation; site-spezifisch, kommunikativ, echt.” Soweit die Presse-Info. Und tatsächlich: Die Tiefkühltruhe mit Eis und Pizza brummt äusserst authentisch. Die Kassiererin im türkis-weiss gestreiften Kittel könnte echter kaum sein. Und auch sonst findet sich alles, was es braucht: Klopapier, Milch, Shampoo, Hera Lind und Silberzwiebeln.
Ganze Sortimentgruppen der Migros sind mit Tiravanija ins Museum eingezogen: Blumen/Pflanzen, Hygiene/Kosmetik, Food, Bekleidung und Buchhandlung/Papeterie, dazu noch das historische Verkaufsauto von 1925. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Schliesslich hat Migros doch gar keine Werbung nötig. Es geht um viel Komplexeres: “Shopping und Museumsbesuch als ein und dasselbe Erlebnis” (Rein Wolf, Museumsleiter). Eine Revolution der Kunstwahrnehmung, die erst einmal verarbeitet sein will.
Dabei ist Tiravanija längst noch nicht am Ende mit seinem Beschäftigungsprogramm, dem titelgebenden “Sozialkapital”. Zwei Automechaniker aus dem bayrischen Altötting generalüberholen gleich neben der Schuhabteilung Tiravanijas alten Opel Commodore. Eine “Nähwerkstatt” beschäftigt Arbeitslose…