Gerhard Richter
Richters RAF-Zyklus nach New York verkauft: kultureller Gewinn oder Verlust?
Ein Gespräch von Hubertus Butin
Das Museum of Modern Art in New York hat sich seit seiner Gründung 1929 mit einem programmatischen Konservativismus der Musealisierung der Avantgarde verschrieben. So erwirbt der wohl angesehenste Tempel der Moderne wie 1988 anstatt aktueller Kunst lieber ein Bild von van Gogh für 30 Millionen Dollar. Denn die Devise des Gründungsdirektors Alfred H. Barr lautete, daß sein der Hochkultur verpflichtetes Museum immer zwei Schritte Abstand von den neuesten Entwicklungen halten sollte. Dementsprechend wirkt die Institution heute im internationalen Vergleich trotz ihrer hochkarätigen Sammlung leicht angestaubt. Mit dem überraschenden Ankauf von Gerhard Richters fünfzehnteiligem Gemäldezyklus “18. Oktober 1977” für 3 Millionen Dollar konnte sich das Museum jedoch – zumindest aus europäischer Sicht – ins Rampenlicht des aktuellen Interesses bringen. Denn kein anderes Kunstwerk der deutschen Nachkriegszeit hatte in den letzten Jahren in künstlerischer wie auch in politischer Hinsicht ein solches internationales Aufsehen erregt. Die 1988 nach Fotografien entstandenen Ölbilder thematisieren das tödliche Ende der ersten Generation der terroristischen RAF in Stammheim. Die vor allem in den 70er Jahren erfolgte Konfrontation mit dem Terrorismus war politisch und gesellschaftlich zweifelsohne eines der größten und einschneidensten Traumata der deutschen Nachkriegsgeschichte. Der spektakuläre Ankauf der Richterschen Bilder bestätigt erneut den hohen künstlerischen Rang dieses Werkes und nobilitiert den Künstler zu einem lebenden Klassiker des 20. Jahrhunderts.
Soll man sich aus deutscher Sicht darüber freuen, oder bedeutet der Verkauf einen unwiederbringlichen kulturellen Verlust? Die deutsche Kunstkritik reagierte bisher überwiegend mit Bedauern oder…