Michael Stoeber
Richard Deacon
»The Missing Part«
Sprengel Museum, Hannover, 23.1. – 15.5.2011
Der Urknall in der künstlerischen Karriere des britischen Bildhauers Richard Deacon ereignet sich 1978/79. Er ist 29 Jahre alt und hat als Student der Bildhauerei alle renommierten Londoner Ausbildungsstätten, die Saint Martins School of Art, das Royal College of Art und die Chelsea School of Art, erfolgreich absolviert. Nun befindet er sich mit seiner Frau und seinem gerade zur Welt gekommenen Sohn für ein Jahr in den USA. Seine Frau, Jacqueline Poncelet, ebenfalls Künstlerin, hat ein Stipendium erhalten, und Deacon begleitet sie. In dem Jahr liest er Rilke, „Die Sonette an Orpheus“ und dessen Aufsatz über Rodin. Unter dem Eindruck seiner Lektüre fertigt er Zeichnungen, denen er den Titel gibt: „It´s Orpheus When There´s Singing“. Sie schicken sich an, den lyrischen Duktus der Rilkeschen Gedichte in grafische Formen zu übersetzen. Sie sind einfach und rhythmisch und haben alle, wie Deacon später schreiben wird, „eine Umgrenzung, eine einfassende Linie, und an einer Stelle eine Öffnung, die von der Umgrenzung umschrieben wird.“ Die Zeichnungen mit ihrer Dialektik von offener und geschlossener Fläche sind in gewisser Weise Blaupausen für die Skulpturen, die auf sie folgen. Sich drehende und windende Werke aus schmalem, gebogenem Holz, ohne Sockel auf dem Boden ruhend, die sich wie filigrane Lineaturen im Raum ausbreiten. Beispielhaft für sie steht „Untitled“ (1981), voll von dynamischer Kraft und zugleich gebändigt in spiegelbildlicher Form. Ein weiteres Werk aus dem Jahre davor, ebenfalls ohne Titel, geformt aus Stahl und Beton, sieht dagegen aus…