Rhythmus vs. Takt
Versuch über den Rhythmus
Der deutsche Psychologe Ludwig Klages, Mitbegründer der Graphologie und Vertreter der Lebensphilosophie, definierte den Rhythmus als “Leben” und den Takt als “Geist”: “Mit der Verwechslung von Rhythmus und Takt beurkundet sich nur auf eine Weise aus tausend Weisen die uralte Verwechslung von Leben und Geist”, heißt es im Buch “Das Wesen des Rhythmus” (1933), womit er die Rhythmik als einen geistigen Zugriff auf das Leben betrachtete. Wer die Rundumüberholung des Sounddesigns liebt wie Pop-Denker Diedrich Diederichsen (siehe “Spex”, Nr. 7/99), weiß um die komplexe Erscheinung des Rhythmus: “Wenn man als Beats das definiert, was schlägt, den Moment, Modus und Sound des Einschlags sozusagen, dann hat es während der ganzen HipHop- und R’n’B-Geschichte immer wieder neue gute Beats gegeben. Wenn man aber als die Beats nur die Muster, die Rhythmus-Partikel, die Morphene und Synkopen, mit anderen Worten die jeweiligen Verkettungen und mindestens zwei Elemente des Funk gelten lässt, dann hat es bis zum Auftauchen von Timbaland und Missy Elliot eine echte und lange Durststrecke gegeben.”
Rhythmus ist nicht gleich Takt und Beat ist nicht gleich Beat. Hanno Helbling, der heute in Rom lebende Ex-Feuilletonchef der “Neuen Zürcher Zeitung”, beschreibt den Rhythmus als Regelmaß und den Takt als Gleichmaß: “Rhythmus wird glaubwürdig, wo er nicht zufällig wirkt.” Rhythmus hängt für ihn mit Bewegung zusammen, wobei er damit auch eine Sehbewegung meint, die einen Rhythmus sowohl aus der Landschaft heraus- wie auch in sie hineinliest. Auch eine Landschaft, ein Bild oder ein Satz können somit rhythmisch empfunden werden. In…