Revolutionär, demokratisch, konservativ, experimentell
Eine Geschichte der deutschen Kunstvereine
von 1792 bis Heute
von Sabine B. Vogel
Einige Menschen treffen sich. Sie lesen gemeinsam Bücher oder reden über Kunst. Es sind gesellige Runden, heute eine Selbstverständlichkeit. Aber damals ist es eine Neuerung. Erstmalig formieren sich solche Treffen im 14. Jahrhundert. Bald spricht man von ,Klub‘ oder ,Gesellschaft‘. Im 18. Jahrhundert setzt sich im deutschsprachigen Raum ein weiterer Begriff durch: Verein. Das Wort benennt die Absicht: ,vereinen‘ im Sinne von ,eins werden‘ oder ,zusammenbringen‘. Es sind standesübergreifende Geselligkeitsklubs, oft mit Bildungsanspruch. Ende des 18. Jahrhunderts entsteht die Form ,Kunstverein‘ – die sich zu einer einzigartigen, deutschlandweiten, bis heute anhaltenden Erfolgsgeschichte entwickelt.
Erste Gründungen
Wann genau alles beginnt, ist noch nicht ausdiskutiert. So schreibt Carsten Sternberg in seiner „Gründungsgeschichte des Badischen Kunstvereins“ von ersten Kunstvereinen in England, nennt auch Zürich (1788), Prag (1796), Wien (1809) und Berlin (1814)1. Damit setzt Sternberg allerdings Künstler*innenvereinigungen und bürgerliche Kunstvereine gleich, die sich klar in Gründungszielen und Mitgliederstrukturen unterscheiden. Folgt man der Differenzierung zwischen Künstler*innen und Bürger*innen, gilt die 1792 gegründete Albrecht Dürer Gesellschaft in Nürnberg als ältester Kunstverein2. Zwei Jahre später wird den Bürger*innen mit dem Allgemeinen Preußischen Landrecht eine verbindliche Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit zugestanden – und zugleich „jede Beratung politischer Angelegenheiten in Vereinen“ verboten.3. Zwei Jahre später wird den Bürger*innen. Aber darauf zielt der junge Kunstverein auch gar nicht ab. Damals wie heute wird in nahezu allen Gründungsstatuten der heute über 300 Kunstvereine in Deutschland durchgehend als dezidierter Vereinsgrund eine bildungsbürgerliche Auseinandersetzung mit Kunst genannt. [02, 03]
Dieses Vereinsziel erscheint uns…