Duodji, Dekolonialisierung und Diversity
Wie Bodø, Kulturhauptstadt Europas 2024, mit Kunst und Diskussionen den Blick auf den Kolonialismus in Norwegen und die Kultur der indigenen Sámi lenkt.
von Ute Thon
Kultursommer in Bodø: Am Strand gleich hinter dem Hafen sind rund 4.000 Menschen zusammengekommen, um sich das Midsummer Mystery-Spektakel der britischen Performance-Truppe Walk the Plank anzuschauen. Auf einer kleinen Bühne ruft ein schiffbrüchiger Seemann vergeblich nach seiner Crew, eine Fee mit roter Zipfelmütze flitzt umher, ein paar gehörnte Trolle in Mooskostümen necken das Publikum, aus den Lautsprechertürmen wabert sphärische Musik. Zum Finale prasselt von der vorgelagerten Insel ein Feuerwerk in den taghellen Abendhimmel und hinterlässt rot-grün-gelbe Rauchwolken, während der Holzturm, der tags zuvor per Hubschrauber auf den Felsen abgesetzt wurde, zum Applaus der Menge in Flammen aufgeht.
So erwartbar fröhlich-märchenhaft feiert Europas Kulturhauptstadt 2024 Ende Juni die Sommersonnenwende. Doch die Hafenstadt im Norden Norwegens, die sich den Titel in diesem Jahr mit Bad Ischl in Österreich und Tartu in Estland teilt, will mehr als nur folkloristische Unterhaltung bieten. Mit über 1.000 Veranstaltungen in Museen, auf entlegenen Inseln, in Höhlen und Hütten sollen auch aktuelle Debatten angestoßen und die Schattenseiten der nordischen Kulturgeschichte beleuchtet werden. Ein Schwerpunkt ist der Kultur der Sámi gewidmet, den Ureinwohner*innen Skandinaviens. Bereits zur Eröffnung des Kulturhauptstadt-Jahres im Februar gab es Digital Storytelling mit 360°-Projektionen indigener Filmemacher*innen. Im Konzerthaus liefen Bühnenstücke des Åarjeljsaemien Teatere, einer Sámi -Theatertruppe, über die Konflikte zwischen Rentierhütern und Windenergie-Konzernen. Im Bodø Kunstverein ist gerade die Schau Gullevaš / Golgolaš zu Ende gegangen mit Videos, Skulpturen…