REPORT
Der Coup des Konservators
Provenienzforschung in der Schweiz: Wie Basel den Grundstein für sein Renomée als Hotspot neuer Kunst legte
von Michael Hübl
Ein Hauch von Pompeji wehte im Herbst 2009 durch Berlin. Beim Roten Rathaus wurden Baggerarbeiten durchgeführt. Weil man sich bei solchen Gelegenheiten in dieser Gegend generell Erkenntnisse über die Frühzeit der beiden, später fusionierten Städte Kölln und Berlin erhofft, waren damals bestimmungsgemäß Archäologen des Landesdenkmalamts anwesend. Sie bekamen bald zu tun. Im Aushub entdeckten sie ein rundliches Metallobjekt, mit Mörtel und Dreck verklumpt, aber als Kopf erkennbar. Nur, dass er nicht, wie zu erwarten gewesen wäre, aus dem Mittelalter stammte, sondern aus der Moderne. Es handelte sich um das Bildnis Anni Mewes (1917) von Edwin Scharff.1
Das inzwischen aufwendig restaurierte Porträt der charismatischen jungen Schauspielerin2 markierte den Anfang eines Vorgangs, der als „Berliner Skulpturenfund“ Aufsehen erregen sollte. Denn nachdem das Werk Edwin Scharffs identifiziert war, begannen im August 2010 systematische Grabungen. Sie brachten insgesamt 16 Plastiken zutage, zumeist schwer ramponiert oder nur noch als Scherben zu bergen. Darunter ein Kopf (1925) aus Terracotta modelliert und schwarz glasiert von Otto Freundlich. Er war der Künstler, dem die Nationalsozialisten besonders perfide Prominenz verschafften: Sie setzten eine Abbildung seiner Arbeit Großer Kopf (1912) auf den Umschlag des Begleithefts, das zu der als Diffamierungskampagne angelegten Ausstellung „Entartete Kunst“ 1937 erschien. Das Cover als Pranger. [02]
Die Berliner Funde rückten auf ebenso spektakuläre wie traurige Weise die Verluste wieder ins Bewusstsein, die mit den Aktionen gegen die von Adolf Hitler als „Verfallskunst“ geschmähten Werke einhergingen. Gab…