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Relektüren · S. 390 - 391
Relektüren , 2013

Rainer Metzger
Relektüren

Folge 27
Saul Friedländer, Kitsch und Tod.

In den Tagen, da diese Relektüre geschrieben wird, ist allenthalben vom Besuch der Bundeskanzlerin in der KZ-Gedenkstätte Dachau die Rede. Die Berichte handeln davon, dass Angela Merkel die erste Trägerin dieses Amtes ist, die sich einer solchen Verpflichtung unterzog; und sie handeln davon, dass es genau sieben Minuten dauerte, bis sie den nächste Termin erreichte, und der fand im jovial-bajuwarischen Dunstkreis eines Bierzeltes statt, mit Blasmusik und guter Laune. Erklärt wurde das damit, dass Wahlkampf ist. Man könnte es auch erinnerungsploitisch fassen: Das Gedenken an die NS-Zeit, an ihre Verbrechen und die Verstrickung der Deutschen ist längst ritualisiert. Die Schuld ist benannt, die Verantwortung für ein Nie-Wieder unermüdlich auf sich genommen, und anschließend stoßen wir an auf die Normalität. Wie Jochen Gerz, der einzige der bildenden Künstler deutscher Herkunft, der einst in der Lage war, adäquate Denkmäler zu erstellen, es benannt hat: Wenn du eine Gedenkstätte zur NS-Vergangenheit bauen kannst , brauchst du sie nicht mehr bauen. Und wenn, so ließe sich hinzufügen, du sie ganz selbstverständlich besuchen kannst, brauchst du sie nicht mehr besuchen. Jedenfalls nicht per öffentlich wirksamer Aktion.

Die Nazi-Zeit ist PR-tauglich geworden. Der Erfolg von „Er ist wieder da“, dem literarischen Erstling des Boulevard-Journalisten Timur Vernes, spricht dafür in siebenstelliger Auflage verbreitete Bände, die Geschichte eines Adolf Hitler, der wieder auftaucht und im Berliner Milieu der Zyniker und Ich-AGler den Simplizissimus abgibt; Vernes macht, was Werbefritzen machen: Er verkauft sein Objekt als Sympathieträger. Man kann den Gröfaz, den größten…



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