Rainer Metzger
Relektüren
Folge 4
Nicht dass die akademische Kunstgeschichte ihrer Zeit stets voraus wäre. Jene sensationelle Entdeckung allerdings, die Michel Foucault einen Bestseller bescherte, als er 1966 in seiner “Ordnung der Dinge” davon schrieb, “dass der Mensch verschwindet, wie am Meeresufer ein Gesicht im Sand”, machte sie schon vorher. Spätestens seit Heinrich Wölfflins “Kunstgeschichte ohne Namen” ist das große Fanal des Strukturalismus, ein Denken nämlich, das auf das Subjekt verzichtet, eine spezielle unter den diversen Möglichkeiten, den Werken und ihrer Historie mit Methode zu begegnen.
“Jedes bedeutende Kunstwerk kann als ein historisches Ereignis angesehen werden und als schwer erarbeitete Lösung eines Problems… Entscheidend ist, daß jede Lösung auf die Existenz eines Problems verweist, für das es bereits andere Lösungen gegeben hat, und daß es andere Lösungen zu diesem selben Problem geben wird, die auf ähnliche Weise gefunden werden… Aus der Lösungskette läßt sich das Problem erschließen” (S. 71). Mit dieser Definition einer “Lösungskette” oder, nach dem in seinem Buch häufigeren Begriff, einer “Sequenz” versucht George Kubler auf seine Weise, den Werken und ihrer Historie mit einer Methode zu begegnen. Jedes Artefakt steht für Kubler in einer Logik zu anderen Artefakten. Am Wissenschaftler ist es, diese Logik herauszudestillieren und eine Sequenz dadurch zu erstellen, dass man die Dinge in eine kausale, chronologische und systematische Ordnung bringt. In einer solchen Ordnung wird jeweils “Die Form der Zeit” greifbar.
Dank dieser Sequenz lässt sich erkennen, dass manche visuellen Erscheinungen eher einer frühen, andere einer späten Phase von Entwicklung entsprechen. Kubler nennt es das “systematische Alter”, das…