Rainer Metzger
Relektüren
Folge 24
Hier hat der Autor selbst zur Relektüre gegriffen. „Eine Revision nach zehn Jahren“ war es, was Hans Belting 1995 vorlegte, und die augenfälligste Veränderung, die einem schon am Umschlag entgegentrat, war der Verlust des Fragezeichens. „Das Ende der Kunstgeschichte“ stand es nun stolz am Cover. Ein Filmstill aus Peter Greenaways „Prospero’s Books“ sorgte für zusätzliche Aufmerksamkeit, nachdem es in der Erstversion ein monochrom asketisches Grau getan hatte. Und überhaupt hatten sich nun Tafelteile unter die Textseiten gemengt, Diagramme etwa wie jenes berümte Entwicklungsschema von Alfred Barr aus dem Jahr 1936, Wiedergaben von Inseraten, Porträtfotos etwa von Warhol und ab und zu auch Abbildungen von jenen Phänomenen, die man Kunstwerke nennt, zum Beispiel von Duchamps „Großem Glas“.
Ohne Zweifel, die gewisse Deorientierung, Ratlosigkeit oder Suche nach einem geeigneten Beobachterposten, die aus jenem „Das Ende der Kunstgeschichte?“ sprach, das 1983 für Furore sorgte, hatte sich gelegt. Hans Belting galt in der Zwischenzeit als der Doyen der Bildwissenschaft. Da konnte er frohgemut aufs Zweifeln verzichten. Noch vor einigen Monaten sprach Wolfgang Frühwald, der ehemalige Präsident der Deutschen Forschungsgeselschaft DFG, davon, dass die deutsche Akademikerriege in genau zwei Disziplinen Weltgeltung beanspruchen dürfe: in der Archäologie und in der Kunstwissenschaft, die jetzt eine Bildwissenschaft ist. Von Naturforschung zum Beispiel sagte Frühwald nichts. Wer wollte da noch am eigenen Fach Fragezeichen setzen.
Als Hans Belting am 2. Februar 1983 an der Ludwig-Maximilians-Universität zu München seine Antrittsvorlesung hielt, unternahm er sie, wie er sich in seiner Revision erinnert, „in einer Geste der Auflehnung gegen falsch verwaltete…